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Der Bedrohung so nah (German Edition)

Der Bedrohung so nah (German Edition)

Titel: Der Bedrohung so nah (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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ihm mit dem Ellbogen in die Seite. Anscheinend versuchte sie, die emotionsgeladene Situation zu überspielen, wofür er ihr unendlich dankbar war.
    „Ich wusste nicht, dass Sie mit behinderten Kindern gearbeitet haben“, sagte er nach einer Weile. „Das ist vorbildlich.“
    „Die Quest Foundation ist eine Stiftung, die mit Kindern mit den verschiedensten Behinderungen arbeitet. Kopfverletzungen, Wirbelsäulenschäden, Down Syndrom. Muskelschwund. Ein paar Monate nach der Schießerei habe ich dort eine Zeit lang ehrenamtlich als Trainerin für Rollstuhlbasketball gearbeitet. Meist mit Teenagern. Ein paar Mal bin ich auch mit zum Reitzentrum gefahren, um die jungen Reiter zu betreuen. Es ist schwer in Worte zu fassen, was für eine außergewöhnliche Erfahrung das war.“
    „Das kann ich mir vorstellen.“
    „Nick, diese Kinder haben die Pferde geliebt! Es gibt ähnliche Projekte, die Hunde in Altenheime oder auf Krebsstationen bringen. Genauso wie Hunde haben Pferde einen unglaublich positiven Einfluss auf Kinder.“
    „Sie haben als Trainerin für Rollstuhlbasketball gearbeitet. Trotzdem hat es sie ziemlich aus der Bahn geworfen, als Sie Stephs Rollstuhl zum ersten Mal gesehen haben.“
    „Es war nicht ihr Rollstuhl.“
    „Was war es dann?“
    Erin biss sich auf die Unterlippe. „Es waren die Erinnerungen, die er ausgelöst hat. An die Schießerei. An Danny.“
    „Flashbacks?“
    Sie nickte laut seufzend.
    „Oh McNeal.“ Er neigte den Kopf nach vorne und legte Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken. „Posttraumatische Belastungsstörung?“, fragte er nach einer Weile.
    „Albträume, Schlafstörungen und jede Menge Schuldgefühle, die mir einfach keine Ruhe ließen. Der Polizeipsychologe hat es Überlebenden-Syndrom genannt.“
    „Daher haben Sie sich für die ehrenamtliche Arbeit gemeldet.“
    Sie lächelte schwach. „Nach alldem, was ich durchgemacht habe, wollte ich etwas zurückgeben. Der Psychologe hatte mir die Stiftung empfohlen.“
    „Hat es geholfen?“
    „In den ersten Monaten schon. Für eine Weile lief es sogar ganz gut. Ich habe etliche der Kinder zum Lachen gebracht. Wissen Sie, Chief, wenn ich will, kann ich ziemlich lustig sein.“
    Der Gedanke entlockte ihm ein Lächeln. „Das glaube ich gern.“
    „Aber es hat nicht lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass ich es nicht schaffe. Die Arbeit hat mich zu viel Energie gekostet. Außerdem hatte ich ständig Flashbacks. Ich weiß, es hört sich selbstsüchtig an, aber nach einer Weile habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten. Es waren wunderbare Kinder, aber ihre Verletzungen und ihre Probleme …“
    „Das war nicht selbstsüchtig. Menschlich vielleicht. Was zählt, ist doch, dass Sie es versucht haben.“
    Er hörte, wie sie einen tiefen Seufzer von sich gab, und betrachtete ihr Profil. Als er eine Träne auf ihrer Wange schimmern sah, bekam auch er einen Kloß im Hals. Weinte sie etwa seinetwegen?
    Einen Anflug von Panik ignorierend, machte er einen Schritt auf sie zu. Er legte ihr einen Finger unters Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Warum die Tränen, McNeal?“
    „Sie werden es mir nicht glauben, aber ich weine nie.“
    „Es tut mir leid. Anscheinend habe ich ein Händchen dafür, Sie zum Weinen zu bringen.“ Der Drang, sie zu trösten, war erstaunlich stark, seine Gegenwehr hingegen verdammt schwach. Er konnte den vertrauten Geruch ihres Haars riechen, der sich mir der Süße ihres Atems mischte. Der Dreiviertelmond stand am Himmel und schien auf ihr Gesicht. Er sah den wachsamen Ausdruck in ihren Augen und konnte den Umriss ihres Mundes erkennen. Oh mein Gott, wie sehr er sich danach sehnte, sie zu küssen.
    Nick fuhr ihr mit dem Daumen über die Wange und wischte eine Träne fort. Sie zu berühren war ein Fehler, der ihm zum Verhängnis werden würde, das wusste er instinktiv. Eine Stimme in seinem Inneren warnte ihn. Wenn er sich nicht umdrehte und ging, bevor es zu spät war, würde sie sein Leben ins Chaos stürzen. Aber er brachte es einfach nicht fertig, unbeteiligt zuzusehen, wie sie weinte.
    Ein tiefes, mächtiges Gefühl stieg in ihm auf. Auch wenn er sich nicht traute, es beim Namen zu nennen, machte er sich nicht einmal die Mühe, dagegen anzukämpfen. Er war es satt, zu kämpfen, nur um am Ende doch von seinen Emotionen für diese Frau überwältigt zu werden. Sie hatte ihn dazu gebracht, sein Innerstes zu entblößen, und er hatte es zugelassen. Was konnte eine tröstende Umarmung schon für Schaden

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