Der Bedrohung so nah (German Edition)
„Ich hätte nicht gedacht …“
„Genau das ist Ihr Problem, McNeal“, fuhr er sie an. „Sie handeln, ohne zu denken.“
Erin trat einen Schritt zurück. Es tat weh, dass er sie so falsch einschätzte. Doch zugleich war sie auch verärgert darüber, dass dieser Mann, auf dessen Meinung sie offenbar immer mehr gab, erneut ihr Urteilsvermögen in Frage stellte.
Erin war nicht der Typ, der schnell die Kontrolle verlor und vor anderen Menschen zusammenbrach. Schon in sehr jungen Jahren hatte sie gelernt, wie nutzlos Tränen waren. Doch als sie dort stand und Nicks wütenden Geschichtsausdruck sah und daran dachte, wie weh sie seiner Tochter getan hatte, stiegen ihr die Tränen in die Augen.
„Ich muss zurück an die Arbeit.“ Abrupt drehte sie sich um und ging zur Tür.
„Warten Sie.“
Erin ging weiter, denn sie traute ihren Gefühlen nicht. Und Nick war der letzte Mensch auf dieser Welt, vor dem sie zusammenbrechen wollte.
Sie trat durch die Haustür nach draußen. Dankbar, an der frischen Luft zu sein, atmete sie die kühle Abendluft ein. Als sie die Terrassentreppen hinter sich gelassen hatte, verfiel sie in einen Laufschritt.
Hinter ihr knallte die Haustür ins Schloss. Nick, dachte sie und beschleunigte ihre Schritte. Wann würde sie endlich lernen, nicht immer bei allem, was sie tat, bis an die Grenze zu gehen?
Mit Tränen in den Augen blieb sie an ihrem Auto stehen und suchte nach dem Schlüssel.
„Ich möchte mit Ihnen reden, McNeal.“
Sie blickte über ihre Schulter und sah, wie Nick über den Rasen auf sie zukam. Na großartig. Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen, und er wollte mit ihr reden. Der Kerl hatte wirklich ein perfektes Timing, das musste man ihm lassen.
„Ich muss zurück an die Arbeit“, sagte sie.
„Das kann warten.“
Einen Augenblick lang war sie versucht, ihn zu ignorieren. Einfach in ihr Auto zu steigen und davonzufahren. Aber natürlich tat sie das nicht. Erin war noch nie vor Problemen davongelaufen. Warum nur löste Nick jedes Mal in ihr einen Kampf-oder-Flucht-Instinkt aus?
Er stand nun direkt hinter ihr, doch sie drehte sich nicht um. „Können Sie mir erklären, was das sollte?“, fragte er herausfordernd.
„Es tut mir leid“, sagte sie.
„Und warum drehen Sie sich nicht um und gucken mich an?“
Sie wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab. Wie demütigend. „Ich habe gesagt, dass es mir leidtut, Nick. Was wollen Sie denn noch?“
„Ich versuche nur, Sie zu verstehen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wieso Sie Steph den Ball gekauft haben. Warum erklären Sie es mir nicht?“
Langsam drehte Erin sich zu ihm um. Mit erhobenem Kinn sah sie ihn an. „Ich habe ihr einen Basketball gekauft, weil sie wissen soll, wie stark sie noch immer ist und was sie erreichen kann. Dass sie nicht auf ein erfülltes Leben verzichten muss, nur weil sie im Rollstuhl sitzt.“
„Sie kann kaum stehen, McNeal. Wie, um alles in der Welt, soll sie Basketball spielen?“
„Es nennt sich Rollstuhlbasketball, Nick. Erzählen Sie mir nicht, dass Sie noch nie davon gehört haben.“
„Es ist zu früh für so etwas.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Ich bin ihr Vater“, sagte er. „Und ich weiß, was sie durchgemacht hat. Ich weiß, dass es zu viel für sie wäre.“
„Sie ist bereit, Nick. Auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen. Früher oder später wird sie herausfinden, wie viele Möglichkeiten ihr noch immer offenstehen, und dann wird sie nicht mehr aufzuhalten sein, egal, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Besser, Sie gewöhnen sich schon mal an den Gedanken.“ Die Worte waren aus ihr herausgesprudelt. Hart. Vernichtend. Und so wahr, dass ihr das Bedürfnis, Nick zu beweisen, dass sie recht hatte, fast körperliche Schmerzen bereitete.
Seine Augen verengten sich. „Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen.“
„Ich habe zwei Monate lang mit körperlich behinderten Kindern trainiert. Rollstuhlbasketball. Therapeutisches Reiten. Langstreckenläufe. Die Kinder lieben es. Sie lieben es. Ich habe gesehen, wie es das Leuchten in ihre Augen zurückgebracht hat. Ihr Selbstvertrauen zurückgekehrt ist. Ihre Einstellung zum Leben sich dramatisch verbessert hat.“ Von ihren eigenen Worten und Gefühlen tief ergriffen, hielt sie inne. Sie wusste, dass sie zu weit gegangen war. Doch sie hatten sich einfach nicht zurückhalten können.
Eindringlich sah Nick sie an. „Stephanie ist noch dabei, sich zurechtzufinden. Sie ist nach wie vor sehr
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