Der Bedrohung so nah (German Edition)
ziemlich unnachgiebig sein, vor allem wenn es um Stephanie geht. Aber er opfert sich für sie auf. Ich habe noch keinen engagierteren und liebevolleren Vater gesehen als Nick. Sein ganzes Leben dreht sich um das Mädchen.“
„Das würde ich auch nie in Frage stellen.“
„Natürlich nicht.“
„Aber er ist eben auch ein bisschen …“ Erins Stimme verstummte. Sie wusste nicht, wie sie es in Worte kleiden sollte, ohne dass es zu hart oder wertend klang. Schließlich hatte sie selbst keine Kinder und von Erziehung keine Ahnung. Trotzdem hatte sie in ihrem Leben einige Erfahrungen gemacht, die es ihr unmöglich machten, mit der Wahrheit hinterm Berg zu halten.
„Überfürsorglich?“ Mrs Thornsberry sah sie wissend an.
Erin nickte. „Es gibt so viele Dinge, die Stephanie noch immer tun kann. Aber Nick zieht sie nicht einmal in Betracht und weigert sich, darüber nachzudenken. Bestimmt ist Steph deswegen manchmal frustriert.“
„Meinen Sie, dass sie darum die Schule schwänzt?“
„Vielleicht ist es ein Schrei nach etwas, das sie nicht bekommt.“
„Nick ist ein guter Vater“, sagte Mrs Thornsberry mit Nachdruck. Sie rückte mit den Händen ihre Schürze zurecht und drehte sich zur Anrichte, sodass sie Erin den Rücken zukehrte. „Ritas Tod hat diese Familie hart getroffen. Auch Stephanie wäre in der Nacht damals fast gestorben. Die erste Woche war schrecklich. Nick hat so viel Zeit im Krankenhaus verbracht, dass er praktisch kaum zum Trauern kam. Ritas Tod hat ihn verändert, und das nicht unbedingt zum Guten.“
„Inwiefern?“
Er war schon immer ein sehr in sich gekehrter Mann, der seine Gefühle eher für sich behält … nun ja, es sei denn, er ist wütend. Der Umgang mit anderen Menschen lag ihm noch nie besonders. Aber nach Ritas Tod, da hat er einfach dichtgemacht.“
„Sie meinen, emotional?“
„Ganz genau. Er war ganz verrückt nach Rita. Aber sie hat ihn wahnsinnig gemacht.“ Mrs Thornsberry lächelte gedankenverloren. „Sie hat nie auf andere gehört. Keine Regeln befolgt. Sie mochte laute Musik und liebte es, mit offenem Verdeck in ihrem Cabrio viel zu schnell zu fahren. Und sie war eine begeisterte Fallschirmspringerin. Am liebsten sprang sie ausgerechnet nachts! Vor ein paar Jahren war sie in Florida, um mit den Haien zu tauchen. Sogar einen Bungeesprung hat sie einmal gemacht. Sie liebte einfach alles, was schnell oder gefährlich oder am besten beides war. Damit hat sie Nick fast in den Wahnsinn getrieben.“
Erin wusste nicht, worauf diese Unterhaltung hinauslief, aber sie spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. „Was ist passiert?“
„Rita war nachts mit Stephanie unterwegs. Rita und Nick hatten sich kurz zuvor gestritten. Er hat es mir nie erzählt, aber ich habe es gehört. Wie immer ist Rita auch dieses Mal zu schnell gefahren. An der Logan Creek Brücke hat sie die Kontrolle über den Wagen verloren. Er hat sich überschlagen und ist die Böschung runtergegestürzt. Das Verdeck des Cabrios war offen. Sie hatte keinerlei Schutz. Ich habe damals bereits seit einigen Jahren für die Ryans gearbeitet. Ich hatte gerade einen Auflauf in den Ofen geschoben, als der Deputy Nick anrief.“ Mrs Thornsberry nahm ihre Brille ab und putzte übertrieben sorgfältig mit ihrer Schürze daran herum. „Mein Gott, es ist wirklich schrecklich, was dieser Mann durchgemacht hat“, sagte sie kopfschüttelnd. „Seitdem ist er nicht mehr derselbe.“
Erin erinnerte sich an das, was Nick ihr von dem Unfall erzählt hatte. Die meisten Details hatte er ausgelassen. Zum ersten Mal verstand sie, warum er seiner Tochter gegenüber so überfürsorglich war. „Und seit dem Unfall sitzt Stephanie im Rollstuhl?“
Mrs Thornsberry nickte. „Er hat Rita oft davor gewarnt, zu schnell zu fahren. Aber sie hat nie auf ihn gehört.“
„Es muss furchtbar für ihn gewesen sein.“
„Diese Familie hat mehr als genug durchgemacht. Ich vermute, dass Nick seine Tochter beschützen möchte, weil er Angst hat, dass er sie sonst genau wie Rita verlieren wird. Am Anfang dachte ich, dass es sich mit der Zeit legen würde. Dass seine … Fürsorge etwas nachlassen würde. Doch inzwischen sind drei Jahre vergangen, und er hat sein Verhalten gegenüber Stephanie noch immer nicht geändert.“ Sie sah Erin an. „Und auch nicht, was sein übriges Leben angeht.“
Erin wusste sofort, dass sie nicht länger über Stephanie oder Nicks überfürsorgliche Art dem Mädchen gegenüber sprachen, sondern über den
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