Der Bedrohung so nah (German Edition)
Wahnsinn treiben würde. Eine Frau, die das Herz seiner Tochter bereits erobert hatte und gefährlich nah dran war, auch seins im Sturm zu nehmen und dabei jeden noch so sorgsam errichteten emotionalen Schutzwall niederzureißen. Ein Gedanke, der ihn nicht nur überwältigte, sondern ihm auch eine gehörige Portion Angst einjagte.
Einem plötzlichen Impuls folgend, stand er auf und ging, ohne sie anzusehen, in die andere Ecke des Raums. Er brauchte Platz. Abstand. Wie schaffte es diese Frau, seine Abwehrmechanismen so spielend außer Gefecht zu setzen? Und warum löste gerade sie ein Verlangen in ihm aus, das so stark war, dass er anfing zu zittern, wenn er nur daran dachte, sie zu berühren? Warum Erin McNeal? Eine Frau, die ihn unweigerlich zugrunde richten würde, wenn er sie zu nah an sich heranließ?
Unsicher, was er als Nächstes tun sollte, fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare und starrte ziellos in die Küche. Wenn er sich zu ihr umdrehte und ihr in die Augen sah, würde er zu ihr gehen. Er würde seine Arme um ihre zitternden Schultern legen und sie so lange halten, bis sie sich beruhigt hatte. Nur dass es dieses Mal nicht dabei bleiben würde. Auch nicht bei einem Kuss. Er wollte mehr, und er war nicht sicher, wie lange er sein Verlangen noch im Griff haben würde.
Offenbar gewöhnte er sich allmählich an das Spiel mit dem Feuer.
„Nick?“
Er ignorierte die Alarmglocke, die in seinem Kopf zu schrillen begann, und drehte sich langsam zu ihr. Als sich ihre Blicke trafen, wurde ihm schwer ums Herz. Es waren die Fülle und die Klarheit dessen, was er sah, die ihm den Atem raubten. Sie war so wunderschön und sah dabei zugleich so verletzlich aus, dass er den unbändigen Drang in sich spürte, sie zu beschützen. Doch zur gleichen Zeit verlangte ihm ihre Stärke seinen ganzen Respekt ab. Und es war genau diese Kombination von Gefühlen, die ihn schier um den Verstand brachte.
In der Tiefe ihres Blickes sah er sein eigenes Schicksal.
Sie saß noch immer auf dem Sofa. Und bevor er wusste, was er tat, ging er zu ihr, um sie in die Arme zu schließen. Aufmerksam beobachtete sie, wie er vor ihr auf die Knie ging, ohne sich jedoch zu bewegen oder die Augen von ihm abzuwenden. Er breitete seine Arme aus. Ihr einladender Seufzer fegte auch den letzten Zweifel fort, als er die Arme um ihre zitternden Schultern legte und sie an sich zog. Ihr Duft raubte ihm die Sinne und berauschte seinen Körper. Wie aus weiter Ferne hörte er, dass sie seinen Namen sagte. Dann schlang auch sie ihre Arme um ihn und war plötzlich ganz nah. Sie war so warm und weich, dass es ihn beinah in den Wahnsinn trieb.
„Es tut so weh, Nick. Das mit Danny ist meine Schuld. Und der Schmerz will einfach nicht nachlassen.“
„Es ist in Ordnung, wenn es wehtut, McNeal. Lassen Sie den Schmerz zu. Lassen Sie ihn raus.“
„Das versuche ich ja, aber er sitzt so tief.“
„Ich werde Ihnen helfen.“ Er machte sich etwas von ihr los und sah in ihre sanften Augen, die bis tief in sein Innerstes zu blicken schienen. Er hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. „Als Erstes müssen wir rausfinden, wer Ihnen etwas antun möchte. Dann kümmern wir uns darum, was in Ihrem Kopf vorgeht. Eins nach dem anderen. In Ordnung?“
Sie gab ein heiseres Lachen von sich. „Sie sind der erste Mensch, der mich versteht.“
„Ich weiß, wie es ist, wenn man sich schuldig fühlt“, sagte er.
„Vermutlich sind wir durch die gleiche Hölle gegangen.“ Ihre Augen waren so klar, dass er das Gefühl hatte, bis in ihre Seele blicken zu können. Doch er sah auch die Fragen, die sich darin verbargen. Nur mit Mühe und Not gelang es ihm, sich nicht für immer darin zu verlieren, dabei hätte es ihm beängstigenderweise noch nicht einmal etwas ausgemacht.
„Der Unfall heute Nachmittag“, setzte sie an. „Er hat Erinnerungen heraufbeschworen, oder?“
Für einen kurzen Augenblick dachte er daran, es abzustreiten. Er wollte nicht darüber reden. Es würde nur die alte schmerzende Wunde wieder aufreißen. Doch sie wussten beide, dass sie recht hatte. Die Vergangenheit hatte ihn an diesem Nachmittag eingeholt und die qualvolle Erinnerung an einen anderen Unfall, der sein Leben für immer verändert hatte, wieder aufleben lassen.
„Es gibt Dinge, die vergisst man nie“, sagte er. „Egal, wie sehr man es sich wünscht. Selbst wenn man damit abgeschlossen hat.“
„Haben Sie das denn?“
Vermutlich. So weit es überhaupt möglich war. Er war durch
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