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Der Bedrohung so nah (German Edition)

Der Bedrohung so nah (German Edition)

Titel: Der Bedrohung so nah (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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die Hölle gegangen, nachdem er seine Frau verloren hatte, aber mit der Zeit hatte die Trauer aufgehört, wie ein wildes Biest in seiner Brust zu wüten. Und irgendwann in den letzten Monaten war aus dem Schmerz ein taubes Gefühl geworden, das kam und ging wie eine unberechenbare Krankheit. Trotzdem wollte er nicht, dass sie diese frisch verheilte Wunde wieder aufriss.
    Ohne zu antworten, erhob er sich und setzte sich auf das Sofa neben Erin. Als wäre es die natürlichste Sache der Welt, lehnte sie sich gegen ihn und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
    „Ich weiß, dass Ihnen das heute ziemlich zugesetzt haben muss. Es tut mir leid.“
    „Sie konnten nichts dafür, McNeal.“
    „Möchten Sie darüber reden?“
    Er hatte damit gerechnet, dass sie ihn irgendwann fragen würde. Aber er wusste nicht, ob es eine gute Idee war, ausgerechnet mit Erin, zu der er sich so hingezogen fühlte, dass er bereits an seinem Verstand zweifelte, über seine tote Frau zu sprechen. Ihr Leichtsinn stand zwischen ihnen wie eine Mauer aus Beton.
    „Rita ist in der Nähe von der Stelle, an der Sie heute Nachmittag von der Straße abgekommen sind, verunglückt“, sagte er. „Es war ein ziemlicher Schock, Ihren Streifenwagen dort unten am Fluss zu sehen.“
    „Oh Nick, das muss schrecklich für Sie gewesen sein.“
    „Mir geht es gut, McNeal. Ich habe mit der Zeit gelernt, damit zu leben.“
    „Wie ist es passiert?“
    Nick atmete einmal tief durch. „Rita hatte gerne ihren Spaß. Aber leider war ihre Vorstellung von Spaß manchmal etwas extrem. Einmal musste ich mich sogar in eine Höhle abseilen, weil sie eingeklemmt war und allein nicht wieder loskam.“ Dass er mit einem Lächeln auf den Lippen von ihr sprechen konnte, erstaunte ihn. Genauso wie die Tatsache, dass er irgendwann in den letzten Monaten die Fähigkeit verloren hatte, ihr Gesicht heraufzubeschwören. Er fragte sich, ob das ein Zeichen dafür war, dass er dabei war, seine Trauer langsam zu überwinden. Und was es für seine Beziehung mit Erin bedeutete.
    „Ich kann gar nicht sagen, wie oft wir uns über ihren waghalsigen Fahrstil gestritten haben“, fuhr er fort. „Meistens weil ich mir Sorgen um Stephanie gemacht habe. Es war fast so, als forderte Rita ihr Schicksal heraus. Ich habe mich immer gefragt, wie viel ihr all das, was wir gemeinsam aufgebaut hatten, eigentlich bedeutete. Unsere Ehe. Unsere Tochter.“ Er sah Erin eindringlich an. „Ritas verantwortungslose Art und ihr extremer Eigensinn haben unsere Ehe belastet, aber ich habe sie trotzdem geliebt. Als Polizist kenne ich die Statistiken. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis etwas passieren würde. Aber Rita hielt sich selbst für unbesiegbar. Sie hatte gesagt, sie wolle für immer neunundzwanzig bleiben. Zu ihrem dreißigsten Geburtstag habe ich ihr ein Auto gekauft. Nicht irgendeins, sondern ein Cabriolet. Klein und schnell, einen Flitzer. Genau das, was sie sich gewünscht hatte – und das Letzte, was sie gebrauchen konnte.“ Nick hatte erwartet, dass die Trauer ihn brutal überwältigen würde. Doch zu seiner Überraschung tat sie es nicht. Irgendwann war aus seinem Kummer ein eher melancholischer Schmerz geworden, der wesentlich sanfter war und bei Weitem nicht so schonungslos in seiner Intensität.
    „Zwei Wochen später hatten wir einen Streit. Ich erinnere mich noch nicht einmal, worüber. Wahrscheinlich irgendetwas Unwichtiges. Aber wir waren beide wütend. Rita hat sich Stephanie geschnappt und ist mit ihr weggefahren.“ Nick stockte. Sein Puls raste, und ein Schweißfilm hatte sich auf seinen Nacken gelegt. Es war ihm nicht ganz klar, warum er Erin die Details dieses Nachmittags erzählte. Doch es war zu spät. Die Schleusentore waren geöffnet, der Strom war nicht mehr zu stoppen.
    „Ich war als Erstes bei ihr.“
    „Oh Nick.“
    Er zuckte zusammen, als Erin seine Hand nahm, doch die Berührung gab ihm Kraft. „Rita war im Wagen eingeklemmt. Bewusstlos. Und ich wusste sofort, dass es schlimm um sie stand. Steph saß auf dem Rücksitz und weinte. Ich weiß noch, dass ich Gott dafür dankte, dass sie am Leben waren. Ich dachte …“ Von seinen Gefühlen übermannt, hielt er inne.
    Flüchtig nahm er wahr, wie Erin seine Hand drückte. Es fühlte sich warm an. Beruhigend. Es war lange her, dass er jemanden so nah an sich herangelassen hatte. Er war sich nicht ganz sicher, warum ihm ihre Geste so viel bedeutete, doch er konnte sie annehmen und Stärke daraus ziehen. Und

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