Der Befehl aus dem Dunkel
Denn dadurch würden die Gegner auf ein Machtmittel aufmerksam gemacht werden, über dessen Bedeutung Sie sich zweifellos schon in dieser kurzen Zeit ein Bild gemacht haben.
Der beste Teil einer neuen Waffe, das Überraschungsmoment, würde dann wegfallen, von Abwehrmaßnahmen, die vielleicht entwickelt werden könnten, ganz zu schweigen.«
»Ich bin durchaus der Meinung des Herrn Astenryk. Außerdem glaube ich, Herr Major, daß es unserer Regierung im Augenblick keineswegs angenehm wäre, mit China in Konflikte zu geraten.«
»Das ist leider sehr wahr, Herr Clennan.«
»Grund genug, um mich zu nötigen, die Herren bei ihrem Wort zu halten. Ich bitte Sie, über alles, was ich Ihnen anvertraut habe, strengstes Stillschweigen zu bewahren«, schloß Georg.
*
Für Alfred Forbin war es zunächst kein angenehmer Gedanke, daß durch seine Tätigkeit, den Ankauf der zum Verschrotten lagernden Minenkörper, der Untergang der »Brisbane« verursacht worden war.
»Dafür hätte man mich eigentlich besser bezahlen müssen«, meinte er zu Helene, mit der er sich jetzt wieder in Paris befand, augenblicklich auf dem Wege zu einem gewissen Herrn Meunier.
Nach einer kurzen Wartezeit wurden sie in das Privatbüro geführt. Meunier begrüßte Helene mit besonderer Freundlichkeit.
Da trat ein Mann ins Zimmer, bei dessen Anblick Helene sofort wußte, daß hier eine hohe Persönlichkeit vor ihr stand.
Ein paar leise geflüsterte Worte Meuniers mochten ihm über Forbin und Helene Aufklärung gegeben haben. Nach einer kurzen Vorstellung – »General Borodajew« – begrüßte er flüchtig Forbin, wandte sich dann mit großer Liebenswürdigkeit Helene zu und verwickelte sie in eine angeregte Konversation. Sie fühlte dabei sehr wohl, daß es Borodajew auf eine kleine Probe ihrer intellektuellen Kräfte und Fähigkeiten ankam. Mit geheimer Befriedigung stellte sie aber auch fest, daß der General jedenfalls nicht unempfänglich für ihre körperlichen Vorzüge war. —
Als am Spätnachmittag Forbin und Helene reisefertig die Wohnung wieder verlassen wollten, um nach Ostende zu fahren, gingen Annes Nerven durch. Sie überschüttete ihre Verwandten mit einer Flut leidenschaftlicher Vorwürfe.
»Keinen Tag länger will ich bei euch bleiben! Morgen fahre ich nach Neustadt zurück. Irgendeine Beschäftigung werde ich ja finden.«
Helene, die wortlos die Klagen Annes mitangehört hatte, schickte ihren Mann hinaus und setzte sich dann neben sie. Wie immer gelang es ihr, den Zorn ihrer Schwester zu besänftigen. Anne atmete erleichtert auf, als Helene zum Schluß erklärte:
»Ich sehe ein, Anne, daß dein Wunsch, dich von uns zu trennen, berechtigt ist. Den Gedanken, nach Neustadt zu gehen, schlage dir aber aus dem Kopf. Ich werde mich bemühen, dir sobald wie möglich eine passende Unterkunft zu verschaffen.«
»Unterkunft verschaffen? Was verstehst du unter Unterkunft, Helene? Glaubst du vielleicht, ich will in irgendeiner Pension von eurem Gelde leben?«
»Ich werde versuchen, dir eine angemessene Position zu beschaffen.«
Einige Tage später begrüßte Helene ihre Schwester mit freudigem Gesicht.
»Ich habe eine Stellung für dich gefunden, Anne. Gestern abend lernte ich im Kurhaus von Ostende Lady Evelyne Wegg, die Gattin des britischen Gouverneurs von Singapur, kennen. Sie fährt in der nächsten Woche ihrem Manne nach, der schon dort ist. Sie sucht eine Gesellschafterin, die über gute Sprachkenntnisse verfügt und sich gleichzeitig etwas um den Haushalt kümmert.«
Über Annes Gesicht ging ein froher Zug. In Singapur wäre sie Georg ein großes Stück näher. Mochte diese Lady Wegg sein, wie sie wollte. Das Gefühl, von hier fortzukommen, überwog alles.
Helene fuhr mit Anne nach Ostende, um sie der Lady Wegg vorzustellen. Diese fand solchen Gefallen an Anne, daß sie sie sogleich fest engagierte.
Schon am übernächsten Tage fuhr sie in Begleitung der Engländerin nach London, von wo dann in der folgenden Woche die Reise nach Singapur angetreten wurde.
*
Clennan trat mit einem Telegramm in Georgs Kabine. »Ich bringe Ihnen eine erfreuliche Nachricht, Herr Astenryk.«
Erstaunt nahm dieser das Papier in die Hand und las: »Begleite Lady Evelyne Wegg als Gesellschafterin nach Singapur. Anne.«
In Georgs Gesicht spiegelte sich eine Flut von Empfindungen. Wie war sie zu dieser Stellung gekommen, überlegte er.
»Nun, Sie machen ja ein Gesicht, Herr Astenryk, als wüßten Sie nicht, ob Sie weinen oder lachen
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