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Der Befehl aus dem Dunkel

Der Befehl aus dem Dunkel

Titel: Der Befehl aus dem Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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vorgekommen war.
    Während sie sich für die Abendtafel umkleidete, überlegte sie, ob sie sich nicht sofort dem Gouverneur mitteilen sollte, doch ihre ständige Befangenheit Sir Reginald gegenüber hielt sie davon ab. Sie hoffte auf Clifton. Wenn der an der Mahlzeit teilnahm, wollte sie sich an ihn wenden.
    Hauptmann Clifton stand schon im Speisezimmer, als sie eintrat. Während der Mahlzeit wartete sie, bis Sir Reginald in ein Gespräch mit Lady Wegg verwickelt war und machte dann dem Adjutanten Mitteilung von ihrer Entdeckung. Clifton hörte zunächst etwas belustigt über den Eifer, mit dem sie ihre Beobachtungen hervorsprudelte, zu. Doch zum Schluß wurde sein Gesicht sehr ernst.
    »Was Sie mir da sagen, Miß Escheloh, kann doch äußerst wichtig sein. Ich möchte Sie bitten, die Zeitung sofort zu holen. Ich werde Ihr Fortgehen bei Lady Wegg entschuldigen.« —
    Als Anne in das Speisezimmer zurückkam, schauten ihr beide Männer gespannt entgegen. Clifton hatte dem Gouverneur inzwischen von ihrer Entdeckung berichtet. Sie reichte das Blatt dem Adjutanten. Der warf einen kurzen Blick darauf und gab es an Wegg weiter. Der Gouverneur betrachtete das Bild lange eingehend. Die finstere Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich dabei noch stärker. Er winkte Clifton zu sich, sprach eine Zeitlang flüsternd mit ihm. Dann wandte er sich zu Anne, reichte ihr die Hand und sagte:
    »Miß Escheloh, ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet.« — In den nächsten Tagen herrschte in den höheren Regierungsstellen von Singapur eine nervös emsige Tätigkeit. Man war gerade noch rechtzeitig einem ungeheuerlichen Verbrechen auf die Spur gekommen. Ungeheuerlich auch insofern, als ein höherer Militär – der Fall lag ähnlich wie vor einiger Zeit in Penang – in ganz unbegreiflicher Weise Pflicht und Ehre vergessen hatte.
    Auf Grund von Nachrichten, die trotz des Geheimkodes ganz unerklärlicherweise in die Hände einer anderen Macht gekommen waren, hatte sich ein Agent an jenen Offizier herangemacht, in dessen Abteilung die neuen Pläne für die veränderten Minensperren bearbeitet waren. Wie es dem Agenten gelungen war, den Offizier zu solch unglaublichem Verrat zu bewegen, blieb rätselhaft. Der Beschuldigte, der sofort verhaftet wurde, erklärte immer wieder, er müsse in Geistesverwirrung gehandelt haben. Einen Tag später wurde er in seiner Zelle erschossen aufgefunden. Er benutzte einen Revolver, den ein mitleidiger Kamerad bei einem Besuch vergaß, um seinem Leben ein Ende zu machen.
    *
    Tagelang gingen in einer neu zusammengestellten Geheimchiffre Depeschen zwischen London und Singapur hin und her. Der Name Turi Chan war darin sehr oft erwähnt. Sein Bild befand sich bald bei allen Stellen der Polizei des englischen Reiches.
    Daß auch in der englischen Botschaft in Peking ein Beamter war, der Staatsgeheimnisse preisgab, ließ sich in London wohl niemand träumen. So hatte Turi Chan alsbald von den Maßnahmen der englischen Regierung erfahren, und so kam es, daß er einige Tage später auf dem Wege zu Jemitsu einer Fülle sehr unangenehmer Gedanken nachhing.
    Er würde es in Zukunft nur in sehr geschickter Verkleidung wagen können, englische Gebietsteile zu betreten. Dazu die unablässig wie Gift an ihm fressende Erinnerung an die Ereignisse in Australien. Diese schmählichen Niederlagen trotz stärkster Benutzung der Allgermissenschen Mittel raubten ihm Tag und Nacht die Ruhe …
    Die furchtbare Macht in den Händen dieses Astenryk … Mußte nicht alles, was er selbst in langer, mühevoller Arbeit erdacht, geschaffen, an ihr zerschellen? Wie konnten er und seine Kraft in offenem Kampf gegen jene bestehen? Wurden nicht einfach alle seine … Jemitsus Pläne vollkommen in Frage gestellt?
    Die Furcht, seine Unterlegenheit Jemitsu einzugestehen – diesen vielleicht zu veranlassen, das große Unternehmen hinauszuschieben oder gar aufzugeben –, hielt immer wieder die Worte auf seinen Lippen fest, in denen er all das Verhängnisvolle Jemitsu offenbaren wollte.
    Er erreichte das Kriegsministerium und betrat das für ihn reservierte Zimmer.
    Von dem Schreibtisch leuchtete ihm von weitem die verhaßte »Australian World« entgegen. Wieder ein Artikel von M. D.? dachte er wütend. Er griff nach dem Blatt, und während er langsam Satz für Satz las, wurde sein Gesicht immer düsterer.
    Er ließ sich schwer in den Stuhl fallen und starrte wie hypnotisiert auf die Zeilen, deren ganze Bedeutung nur er allein fassen konnte.

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