Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
die Tür hinter sich geschlossen hatte, war sie wieder in ihren Liebesroman vertieft.
Als er vom Parkplatz herunterfuhr, besah sich Kane den Mann mit der Zeitung etwas genauer. Aus der Nähe betrachtet wirkte er ziemlich unangenehm. Er hatte stumpfes graubraunes Haar, einen ungepflegten strähnigen Bart, der seinem Gesicht ein schmutziges Aussehen gab, tief liegende Augen und eine spitze Nase.
Der Mann war Kane auf Anhieb suspekt. Er vermutete, dass es sich bei dem Ford Taurus um einen Mietwagen handelte, prägte sich das Nummernschild aber trotzdem ein. Er kannte jemanden, der ihm innerhalb von Sekunden sagen konnte, auf wen der Wagen gemeldet war.
Melville Brown saß in seinem Büro, als Kane den Kopf zur Tür hereinsteckte. Sein Partner war am Telefon. Den Hörer unters Kinn geklemmt, machte er sich Notizen. Als er Kane sah, verzog er das zimtbraune Gesicht zu einem erfreuten Lächeln, winkte ihn herein und beendete sein Gespräch. Sich auf seinem Stuhl zurücklehnend, faltete er die Hände vorm Bauch. „Ich höre, du warst heute früh sehr beschäftigt", sagte er mit seiner sonoren Stimme. „Beziehungsweise die letzten zwei Tage. Was ist das für eine Geschichte mit diesem Sarg?"
Kane verzog das Gesicht. „Fang bloß nicht davon an." Er ließ sich auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder und streckte die langen Beine von sich.
„Ist es so schlimm?"
„Ich habe mich lächerlich gemacht. Aber ich schwöre, diese Regina Dalton führt etwas im Schilde."
„Faule Ausreden", witzelte sein Partner.
Kane warf ihm einen gereizten Blick zu. „Warte nur ab, bis sie uns hereinlegt. Dann wirst du anders reden."
„Glaubst du wirklich, sie hat etwas mit dem Fall zu tun?"
Es war klar, von welchem Fall Melville sprach. Für die beiden gab es zurzeit keinen anderen. „Sie ist aus New York", erwiderte Kane mit finsterer Miene.
„Eine Menge Leute sind aus New York", hielt ihm sein Partner entgegen.
„Aber es ist schon ein seltsamer Zufall. Und außerdem habe ich dieses ungute Gefühl."
„Oh, das ist natürlich etwas anderes. Und von zwingender Logik."
„Sie beunruhigt mich."
Melville enthielt sich eines Kommentars.
Als Kane seinem Blick begegnete, sah er, dass sein Partner sich ein belustigtes Grinsen verkniff. „Es ist nicht, was du denkst."
„Aber nein", meinte Melville nachsichtig. „Gewiss nicht. Und jetzt zum geschäftlichen Teil. Willst du hören, was ich heute aufgedeckt habe?"
„Klar. Schieß los."
„Dieser Berry hat vor einiger Zeit einen Deal mit einer schwarzen Religionsgemeinschaft ausgehandelt. Er kaufte sämtliche Friedhöfe der verschiedenen Kirchen auf und gab Hunderten von schwarzen Mitarbeitern Jobs, indem er sie Begräbnis-Verträge mit seiner Berry Association verkaufen ließ. Wie findest du das?"
„Das klingt zunächst mal ganz vernünftig. Was ist der Haken dabei?"
„Die Verträge gelten nur fürs Begräbnis. Sie beinhalten nicht die üblichen Dienstleistungen wie Einbalsamierung und Aufbahrung in Berrys Bestattungsinstituten. Bei ähnlichen Deals, die er mit weißen Kirchengruppen gemacht hat, stehen diese Dinge hingegen mit im Vertrag."
„Du lieber Himmel!"
„Genau." Melville lächelte grimmig. „Berry verdient sich dick und dämlich an diesen Kirchenleuten, und er zahlt ihnen einen Hungerlohn dafür. Und dann können sie nicht mal seine Bestattungsinstitute benutzen, sondern müssen die arme schwarze Oma im Leichenwagen herumkarren, um sie in einem anderen Begräbnisinstitut aufzubahren. Wenn sie dessen Dienstleistungen dann aus ihrer eigenen Tasche bezahlt haben, dürfen sie die Oma auf einem von Berrys Friedhöfen begraben."
„Das ist ja reine Diskriminierung."
„Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass jemand dahinter kommt. Ich bin gespannt, ob seine Anwälte es wagen werden, vor Gericht damit aufzutrumpfen, dass er unzähligen Schwarzen Arbeit beschafft hat."
Der ominöse Unterton in der Stimme seines Partners ließ Kane aufhorchen. „Und du glaubst, dass sie das tun könnten?"
„Es ist durchaus möglich. Ich habe aus verlässlicher Quelle erfahren, dass hauptsächlich Schwarze auf der Geschworenenbank sitzen sollen."
Kane blickte seinen Partner an. Er begriff sofort, was Melville meinte. „Sie wollen dem Prozess einen politischen Anstrich geben - der liberale Norden gegen den konservativen Süden."
„Deinen Großvater wird man als engstirnigen Südstaatler hinstellen, nicht unähnlich dem grausamen Simon Legree aus ,Onkel Toms Hütte', der sein
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