Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
ausgeht."
„Ich auch", antwortete Kane. „Ich auch."
Regina stand am Rand des Fensters und schob vorsichtig den Vorhang etwas beiseite, um hinausspähen zu können. Der Wagen war noch da. Unverändert stand er gegenüber dem Motel auf der anderen Straßenseite. In ihren Schläfen pochte ein dumpfer Schmerz. Es war schlimm genug, dass sie den ganzen Tag Sugar Kane Benedicts hinterhältige Fragen und Bemerkungen abwehren musste. Jetzt kam auch noch diese Komplikation hinzu. Die hatte sie weiß Gott nicht gebraucht.
Ihr erster Gedanke war, dass Kane sie beobachten ließ. Im nächsten Moment jedoch verwarf sie diesen Verdacht. Erstens hatte sie ihm keinen Anlass zu der Vermutung gegeben, dass es notwendig sei. Zweitens erschien er ihr zu offen und ehrlich für derartige Praktiken. Und drittens hatte er ihr bewiesen, dass er, wenn er hinter etwas her war, selbst dafür sorgte, dass er es bekam.
So wie in ihrem Fall. Kane war hinter ihr her. Das war der Grund, weshalb er ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte. Der Verdacht kam ihr schon, als er heute früh aufkreuzte. Und nach den Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, wusste sie es mit Sicherheit.
Wenn Kane den Mann dort drüben nicht postiert hatte, wer dann? Lewis Crompton vielleicht? Es erschien ihr unwahrscheinlich, aber sie hatte schon komischere Dinge erlebt. Natürlich konnte dieser Kerl in dem Auto auch jemand anderem hinterherschnüffeln, einer untreuen Freundin vielleicht oder einer Ehefrau, die ihn betrog. Er konnte auch ein Drogendealer sein.
Und noch eine Möglichkeit gab es.
Regina trat vom Fenster weg und ging zum Nachttisch, wo das Telefon stand. Nachdem sie sich aufs Bett gesetzt hatte, holte sie tief Luft, schloss die Augen und berührte den Anhänger an ihrem Hals, damit er ihr Glück brachte. Dann nahm sie den Hörer ab und wählte.
Es klingelte einige Male am anderen Ende, dann wurde abgenommen. „Bei Gervis Berry. Wen darf ich bitte melden?" fragte der Bodyguard ihres Cousins.
„Ich bins, Michael, Regina. Ich will mit ihm reden."
„Gut. Er hat schon auf deinen Anruf gewartet."
Es klickte in der Leitung, und die Klänge eines Mozart-Konzerts ließen sich vernehmen. Regina hörte nur mit halbem Ohr hin. Es sah Gervis ähnlich, Musik in seine Telefonanlage einzuspielen, die ihm überhaupt nicht lag, um so einen kulturellen Hintergrund vorzutäuschen, den er insgeheim verabscheute. Während sie ungeduldig wartete, sah sie genau vor sich, wie Michael durch die Räume des riesigen Apartments auf der zweiundsiebzigsten Straße ging und an die Tür von Gervis' Arbeitszimmer klopfte.
Im Stillen begann sie von zehn ausgehend rückwärts zu zählen, wobei sie eine Wette mit sich selber abschloss, bei welcher Zahl ihr Cousin sich bequemen würde, den Anruf entgegenzunehmen. Bei zehn oder neun auf keinen Fall, weil er sie ja beeindrucken, ihr zeigen musste, was für ein beschäftigter Mann er war. Genauso wenig würde er bei acht oder sieben den Hörer abnehmen, denn er wollte sie unruhig machen, damit er die Oberhand behielt. Auch bei sechs oder fünf würde er sich nicht melden, denn er liebte es, Leute warten zu lassen. Bei vier würde er das Telefon nicht anrühren, weil er gern für sich in Anspruch nahm, sich beherrschen zu können. Doch er würde antworten, ehe sie bei eins angelangt war, weil er es nicht ertrug, auf das, was er haben wollte, zu warten.
Fünf, vier, drei...
„Gina, Baby, was gibts Neues? Was tut sich da unten?"
Wusste ich's doch! dachte Regina. Er nahm genau in dem Moment ab, den sie vorausgesehen hatte. „Nicht viel", sagte sie, um einen beiläufigen Ton bemüht. „Ich habe mich mit Mr. Crompton in Verbindung gesetzt und einen Termin mit ihm vereinbart, um seinen Schmuck zu schätzen."
„Vergiss den verdammten Schmuck. Ich will wissen, was du herausgefunden hast."
„Ich hatte keine Zeit, um ..."
„Dann nimm dir die Zeit! Ich kann schließlich nicht das ganze Jahr warten. Komm endlich in die Gänge. Was glaubst du, weshalb du dort unten bist?"
„Das habe ich mich auch schon gefragt", entgegnete sie gepresst. „Gervis, du hast doch nicht jemanden beauftragt, hinter mir herzuschnüffeln, oder?"
„Was war das eben?"
„Irgendein Idiot liegt vor diesem Motel auf der Lauer. Ich habe den Verdacht, dass er mir nachspioniert."
Daraufhin herrschte am anderen Ende der Leitung erst einmal Schweigen.
„Mein Gott, Gina", sagte ihr Cousin schließlich ungläubig und offenbar zutiefst verletzt, „du glaubst
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