Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
sein Hemd schnappte. Es war ausgesprochen dämlich, in einer Kleinstadt ein Auto zu klauen und dann genau in eben jener Kleinstadt damit durch die Gegend zu fahren. Besonders helle waren die Ganoven, mit denen sie es hier zu tun hatten, offenbar nicht. Andererseits hatten sie es zumindest fürs Erste geschafft zu entkommen. Und das gefiel ihm gar nicht. „Ich bin in fünfzehn Minuten da", sagte er in den Hörer.
„Nicht nötig, Sir. Wir haben alles unter Kontrolle. Jetzt muss nur noch der Bericht geschrieben werden. Ich wollte Sie lediglich kurz informieren."
„Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich um meinen Schönheitsschlaf sorgen, Cal", gab Roan zurück. „Aber ich will dicht dranbleiben an dem Fall. Riegeln Sie alle Zufahrtsstraßen ab, und sorgen Sie dafür, dass möglichst nichts an die Öffentlichkeit dringt", sagte er in befehlsgewohntem Ton. „Auch wenn ich morgen wahrscheinlich von sämtlichen Angehörigen der Patienten etwas zu hören bekomme, will ich den Vorfall doch nicht in den Frühnachrichten sehen."
„Verstanden."
„Haben Sie noch einen zusätzlichen Wachposten aufgestellt?"
„War in meinen Augen für die Sicherheit unserer Gefangenen nicht unabdingbar erforderlich, Sir. Davon abgesehen ist außer mir und Allen niemand hier."
„Aber in meinen Augen ist es unabdingbar erforderlich, Cal", gab Roan in seidenweichem Tonfall zurück, der jedoch keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass es sich hier um einen Befehl handelte. „Ich schlage vor, dass Sie Verstärkung anfordern und neben AI Posten beziehen, bis sie eintrifft."
„Aber ich bin hier der Einsatzleiter."
„Ich weiß", gab Roan zurück und legte kurzerhand auf. Cal Riggs mit seinem gestelzten Polizeijargon, seiner unbeugsamen Entschlossenheit, sich jederzeit bis aufs i-Tüpfelchen an die Dienstvorschriften zu halten, und seiner Sorge, dass nur ja seine Position als Stellvertreter nicht angekratzt wurde, konnte einem gelegentlich wirklich auf die Nerven gehen. Meistens trug Roan es mit Fassung, heute jedoch nicht.
Er warf das Telefon aufs Bett, dann zog er sich mit der Geschwindigkeit, die lange Übung mit sich bringt, fertig an. Armbanduhr und Dienstabzeichen lagen auf der Kommode bereit. Er legte die Uhr um und heftete sich den Sheriffstern an die Hemdbrust. Dieses Zeichen seines Amts trug er schon fast sein ganzes Erwachsenenleben. Er hatte eine große Verantwortung, oft musste er schnell handeln, und manchmal ging es sogar um Leben und Tod. Trotzdem passierte es selten, dass er seine Entscheidungen so hartnäckig hinterfragte, wie er es jetzt bei Donna X tat.
Er spürte, dass sie ein Geheimnis hatte, und das nagte an ihm. Er wünschte sich, sie unter ein Mikroskop legen zu können, um zu sehen, aus was für einem Stoff sie gemacht war. Und wenn er das herausgefunden hatte, gab es noch ein paar andere Dinge, die ihn an ihr interessierten und die Zeit erforderten, eine private Atmosphäre und vielleicht eine gute Flasche Wein, um die Stimmung ein bisschen aufzulockern.
Du lieber Himmel. Wo war das denn jetzt hergekommen?
Sich mit einer Tatverdächtigen auf eine private Ebene zu begeben, war das wirklich Allerletzte. Es verstieß nicht nur gegen alles, was er gelernt hatte, um Sicherheit und Ordnung in seiner Stadt aufrechtzuerhalten, sondern auch gegen seinen persönlichen Ehrenkodex. Davon abgesehen hatte er im Moment für so etwas ohnehin keine Zeit und würde wahrscheinlich auch nie welche haben. Ganz zu schweigen davon, dass seine Gefangene wahrscheinlich gar nicht dazu bereit wäre.
Seine Gefangene. Seine, nicht Cals. „Unsere" Gefangene gab es nicht. Bei der Vorstellung, dass Cal ein persönliches Interesse an Donna haben könnte, sträubten sich ihm die Nackenhaare.
Er atmete tief durch und schob den Gedanken dorthin zurück, wohin er gehörte. Trotzdem konnte er nicht aufhören, an Donna zu denken. Was war sie, wer war sie? Ein armes kleines reiches Mädchen, das in ein Entführungskomplott geschliddert war, oder ein gut situiertes Callgirl, das etwas wusste, das es nicht wissen sollte? Eine verwöhnte Tochter aus reichem Haus, die versuchte, aus ihrem Daddy noch mehr Geld herauszupressen, oder eine reiche Schnepfe, die ab und zu einen Kick brauchte? Sie hatte sich ihm von den verschiedensten Seiten präsentiert, mal Engel, mal Hexe. Er musste irgendwie herausfinden, wer sie war, bevor es zu spät war. Sobald sie sich wieder erinnern konnte, wer sie war -, oder in der Minute, in der sie begriff, dass das
Weitere Kostenlose Bücher