Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
was aus Kindern anständige Erwachsene machte: feste Verantwortlichkeiten, wenn nötig Disziplin, so viel Aufenthalt im Freien wie möglich und viel, viel Liebe.
Um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, fragte er: „Und wer ist dein Typ? Cyndi Frazier?" Cyndi war die Tochter des örtlichen Pferdezüchters, und Roan war aufgefallen, dass Jake üblicherweise eine Ausrede fand, um Samstagabends zur Viehversteigerung in die Stadt zu fahren. Es deutete alles darauf hin, dass er das Talent der Benedicts geerbt hatte, sich die bestaussehende Frau in der Menge auszusuchen.
„Ach, Dad", sagte Jake genervt.
„Du weißt, dass Blicke nicht weniger zählen als Taten?"
„Ja, klar. Aber Cyndi ist halt hübsch und mag Tiere genauso wie ich."
Roan beließ es dabei. Immerhin hatte Jake Erfahrungen aus erster Hand. Seine Mutter war mehr als nur hübsch gewesen, eine zerbrechlich wirkendende junge Frau, die ausgesehen hatte, als ob das Leben mit seinen Problemen zu viel für sie wäre. Was es auch gewesen war, zumindest fast. Allerdings rechnete Roan es Carolyn hoch an, dass sie ihren Sohn nicht mitgenommen hatte. Zur Begründung hatte sie gesagt, dass Jake, da er ein Benedict war, es verdiente, auch als ein solcher aufzuwachsen. Das betrachtete Roan als Geschenk und war ihr trotz allem dankbar.
Hin und wieder aber fragte er sich, ob es richtig gewesen war, dem Jungen einen Mutterersatz vorzuenthalten. Obwohl es Jake an nichts zu fehlen schien, war er manchmal doch auffallend still, nachdem er mit seiner Mutter telefoniert hatte oder von einem Besuch bei ihr zurückkam. Sein Hobby waren Tiere, um die er sich seit seinem siebten oder achten Lebensjahr intensiv kümmerte, früher unter der Anleitung seines Großvaters und seitdem dieser auf Reisen war in eigener Verantwortung. Im Augenblick hatte er einen Zoo, der sich aus sieben Rindern, einem Pferd, einer Schar Legehennen, zwei Ziegen, einem Hausschwein und den Hunden, die sie auf Dog Trot züchteten, zusammensetzte. Der Reinerlös, den die Hundezucht abwarf, wanderte in seinen Ausbildungsfonds. Jake wollte Tierarzt werden wie Cousin Clay, obwohl Clay sich seit zwei Jahren der Landschaftsfotografie zugewandt hatte. Wenn sich der örtliche Tierarzt irgendwann zur Ruhe setzte, könnte Jake dessen Praxis übernehmen und so die lange Reihe jener Benedicts, die auf Dog Trot lebten, fortsetzen.
Nachdem Jake seinen Bissen mit einem Schluck Milch hinuntergespült hatte, schaute er nachdenklich auf sein Sandwich und fragte: „Und wie lange bleibt diese Donna Sowieso hier?"
„Ich weiß noch nicht... so lange wie nötig."
„Wie eine Kriminelle sieht sie aber eigentlich nicht aus. Willst du wirklich, dass sie vor Gericht gestellt wird?"
Roan hatte Jake die Sachlage haarklein auseinander gesetzt, weil der Junge mit der Situation zurechtkommen musste. Jetzt schaute er ihn über den Rand seiner Tasse hinweg offen an, bevor er sagte: „Diese Entscheidung liegt nicht bei mir."
„Aber du hast sie verhaftet."
„Sie war offensichtlich in ein Verbrechen verwickelt. Dafür gibt es Beweise."
„Richtig. Es war deine Pflicht." Dem Tonfall von Jake war zu entnehmen, dass er damit lediglich schon oft Gehörtes wiederholte.
„Du sagst es."
„Und was ist, wenn dir dein Bauch sagt, dass sie nichts damit zu tun hat?" bohrte er.
„Mein Bauch hat nichts damit zu tun."
„Ja, richtig."
„Das ist mein Ernst", beharrte Roan. „Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden, und nicht, sie so lange zu verdrehen, bis sie mit meiner Sicht der Dinge übereinstimmen. Wenn man damit erst einmal anfängt, gibt es irgendwann kein Halten mehr."
„Und angenommen, sie ist wirklich so unschuldig, wie sie behauptet? Angenommen, ihr ist das alles wirklich passiert, und jetzt machst du es noch schlimmer, indem du dafür sorgst, dass sie hinter Gitter kommt? Was glaubst du wohl, wie du dich fühlst, wenn du herausfindest, dass du ihr Unrecht getan hast?"
„Es spielt keine Rolle, wie ich mich fühle. Das Gesetz ist dazu da, die Mehrheit der Leute, die anständige Bürger sind, vor einer kriminellen Minderheit zu beschützen. Unser System ist zwar nicht perfekt, aber meistens funktioniert es. Es ist durchaus möglich, dass der Staatsanwalt am Ende gar keine Anklage erhebt, weil er die Beweise für nicht ausreichend hält, aber diese Prozedur wird sie schon durchlaufen müssen."
Sein Sohn musterte ihn einen langen Moment eingehend. Dann schüttelte er sich die Haare ins
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