Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
konzentrierte sich wieder auf sein Hörnchen, doch Chloe hatte die Hitze in seinen Augen bemerkt, die mehr als Eis zum Schmelzen bringen konnte.
Schließlich wurde ihr Flug aufgerufen, und wenig später landeten sie bereits in New Orleans. Mit einem Mal kam ihr der Wechsel von der einen in die andere Welt viel zu schnell, viel zu abrupt vor. Sie war überhaupt nicht darauf vorbereitet.
Die Menschen um sie herum unterschieden sich von denen auf dem Flughafen in Zürich. Sie wirkten nicht so hektisch und kamen Chloe gelassener und unbeschwerter vor. Sie überlegte, ob es vielleicht daran lag, dass hier nicht so viele Geschäftsleute anwesend zu sein schienen wie in Europa. Als sie sich umsah, fielen ihr nur wenige Reisende im Anzug und mit Aktenmappe auf. Die meisten Menschen waren leger gekleidet, trugen T-Shirts, Jeans und Sportschuhe, was auf Chloe fast schon den Eindruck einer Art von Uniform machte. Besonders fielen ihr die Frauen auf, die ihr Haar kurz geschnitten trugen und geschminkt waren. Es schien ihnen weder bewusst zu sein, dass sie mit ihrer eng anliegenden Kleidung ihren Busen und ihre Hüften betonten, noch nahmen sie von der Art Kenntnis, wie die Männer ihnen nachsahen. Sie konnten sich frei bewegen und frei reden, und ihre Sexualität war für sie etwas so Alltägliches, dass sie sie so gut wie gar nicht wahrnahmen. Ihre Art, sich zu geben, ließ sie sogar auf eine Weise erfahren erscheinen, dass sich Chloe völlig fehl am Platz und unglaublich unterdrückt fühlte. Aus brennender Neugier begann sie sich zu fragen, ob sich außer ihr überhaupt eine einzige Frau im Gebäude befand, die noch Jungfrau war.
Hätte Wade sie nicht am Arm gefasst, wäre sie dem Strom der Passagiere gefolgt, die zur Gepäckabholung und zu den Bussen eilten. „Hier lang", sagte er und zeigte auf das Hauptterminal. „Dort können wir uns ein Taxi schnappen, das gerade Fluggäste absetzt, ohne erst noch in der Schlange zu stehen. Wir lassen uns in die Stadt fahren, um den Leihwagen abzuholen."
„Warum denn? Auf dem Schild da steht doch, dass es im Untergeschoss einen Autoverleih gibt."
„Ja, aber da müssten wir auch Schlange stehen. So geht es wesentlich schneller."
Sie war zu müde, um über Sinn und Unsinn seiner Argumentation nachzudenken, stattdessen folgte sie ihm gehorsam. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sich von ihm zu lösen, als er eine Hand auf ihren Rücken legte, um sie um eine ältere Frau in einem Rollstuhl zu lotsen.
Als sie keine drei Meter mehr von den Ausgangstüren entfernt waren, kam von der Seite ein Mann auf sie zu. Er bewegte sich schnell und leise, während er sich seinen Weg zwischen einem Piloten, der einen schwarzen Koffer hinter sich herzog, und einem dicklichen Kerl mit Sonnenbrand und Strohhut hindurch bahnte.
Wade packte Chloe an der Taille und wirbelte sie um sich herum, dann duckte er sich und ging in Verteidigungsstellung, um der Gefahr zu begegnen, die ihnen offenbar drohte.
„Verdammt, Wade!" Der mutmaßliche Angreifer blieb abrupt stehen und riss die Hände hoch. „Wenn du so auf dein eigen Fleisch und Blut reagierst, wie springst du dann erst mit deinen Feinden um?"
„Mach so was nie wieder, kleiner Bruder", zischte Wade, dann seufzte er und richtete sich auf. Er umarmte den Mann, der erschrocken stehen geblieben war.
Als sie die Umarmung lösten, betrachtete Chloe die beiden. Wades Bruder war geringfügig kleiner, sein Haar war etwas dunkler, und statt brauner hatte er intensiv blaue Augen. Doch trotz dieser Unterschiede sahen die Brüder sich fast zum Verwechseln ähnlich. Sie hatten die gleichen Gesichtszüge, waren beide breitschultrig, und ihre Körperhaltung strahlte gleichermaßen viel Selbstvertrauen aus, das bereits an Arroganz grenzte.
„Ich wollte dir keinen Schreck einjagen", sagte Wades Bruder. „Ich hatte Angst, ihr könntet schon längst abgefahren sein.
Ich bin selbst gerade erst hier angekommen. Adam hält am Flugsteig nach euch Ausschau."
„Du hast nichts davon gesagt, dass ihr uns abholen würdet."
„Konnte ich auch nicht. Das wurde in letzter Minute von der Familie entschieden, so wie üblich." Der jüngere Benedict verdrehte ein wenig den Kopf und versuchte, um Wade herumzusehen. „Und? Werde ich der Lady noch vorgestellt? Oder willst du sie ganz für dich behalten?"
„Ich schätze, ich kann es riskieren. Schließlich weiß ich ja, dass du mit Janna alle Hände voll zu tun hast. Chloe Madison, das ist ein weiterer Benedict: mein
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