Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
zu überqueren. Bei ihnen war ein sehr aufgebrachter Offizier. Es schien so, als hätten sie die Gesuchten verpasst. Es heißt, er habe einen Rachefeldzug gegen einen Amerikaner, der seine Ehre beschmutzt hat, geplant. Diesen Mann will er langsam töten und einer Frau die Kehle aufschneiden. Er sprach davon, den ganzen Stamm dieses Amerikaners auszuradieren, bis hin zum kleinsten Kind, und wenn er dafür bis ans Ende der Welt reisen müsste. Ich glaube, dieser Offizier sprach von Ihnen und der Dame, da nicht so viele aus Ihrem Land hier unterwegs sind."
„Hat er den Namen dieses Stamms erwähnt?" fragte Chloe. Ihre Kehle war mit einem Mal so trocken, dass sie Mühe hatte, die Worte herauszubringen.
„Ja, es war ein schwieriger Name", antwortete der Mann mit bedauerndem Tonfall. „Ich kann mich nicht daran erinnern."
„War der Name ... Benedict?"
Seine Frau zog wieder an seinem Ärmel und nickte, während sie Chloe ansah. „Oh ja, das war das, was der Händler sagte. Der Name war Benedict."
„Chloe?" fragte Wade mit sorgenvoller Stimme und ließ seinen Blick zwischen ihr und dem Gast hin und her wandern.
Sie gab wieder, was der Mann gesagt hatte, und bemerkte, wie sich Wades Gesicht verfinsterte. Er benötigte nur ein paar Sekunden, um die Bedeutung dieser Worte zu erfassen.
„Den Benedict-Clan könnte er nur dann auslöschen, wenn er vorhat..."
„Ja", entgegnete sie, als er einen Moment lang zögerte. „Wenn er vorhat, uns in die Staaten zu folgen. Welchen Weg wir nehmen, ist nicht schwer zu erraten, da ihm klar geworden sein muss, dass wir über den nächstgelegenen Pass nach Pakistan fliehen würden."
Nachdenklich runzelte Wade die Stirn. „Ja, aber würden die Taliban Ahmad eine Reise aus persönlichen Gründen bezahlen? Würden sie sie überhaupt gestatten, ganz zu schweigen von den Vorbereitungen, die getroffen werden müssten, damit jemand mit seinen finsteren Verbindungen überhaupt ins Land gelangen könnte? Das ergibt keinen Sinn."
„Was soll das heißen?"
„Ich glaube, dass da noch etwas anderes dahinter steckt. Dass er sich vielleicht freiwillig gemeldet hatte und ohnehin für einen Flug in die Staaten vorgesehen war. Und das nutzt er jetzt, um seinen Racheplan in die Tat umzusetzen. Ich muss ein paar Leute anrufen, um dahinter zu kommen."
„Ich verstehe nicht", gab Chloe zurück.
Er warf ihr nur einen kurzen Blick zu. „Wirklich nicht? Hat er nie von einem Auftrag gesprochen, der über seine Pflichten gegenüber den Taliban hinausgeht?"
„Nicht, dass ich wüsste."
„Vielleicht nicht." Er machte eine wegwerfende Geste. „Gott, was würde ich jetzt für das Satellitentelefon geben, das ich im Hotel zurückgelassen habe."
„Du kannst von Peshawar aus anrufen. Oder vom Flughafen aus."
„Ja. Ich möchte bloß wissen, wann wir dort eintreffen."
„Das werden wir morgen früh herausfinden."
Seine einzige Reaktion war ein geistesabwesendes Nicken. Es war offensichtlich, dass er sie und alles andere um sich herum vergessen hatte und sich ausschließlich dem einen Problem widmete, das ihm durch den Kopf ging.
„Kemal hat vielleicht doch nicht so Unrecht gehabt."
Wade gab diesen verärgerten Kommentar von sich, nachdem er die letzten eineinhalb Stunden vergeblich versucht hatte, eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Chloe saß auf einem Felsblock neben der Straße, hatte einen Ellbogen auf das Knie gestützt und das Kinn in die Hand gelegt. Sie war müde und hungrig, aber vor allem raubte ihr die Burqa die Luft. Außerdem fühlte sie sich hier am Straßenrand äußerst ungeschützt und verletzlich. Ahmad oder sonst jemand, der sie kannte, konnte in einem der vorbeifahrenden Laster oder Personenwagen sitzen und sie bemerken. Möglicherweise lauerte er ja bereits weit vor ihnen auf sie, da er nicht wissen konnte, dass sie Ajzukabad nicht sofort verlassen hatte.
Sie war auch um Wade besorgt. Trotz des Turbans, den er von ihren nächtlichen Gästen im Tausch gegen die spärliche Ausrüstung aus dem Kombi erhalten hatte, sah er immer noch viel zu amerikanisch aus.
Chloe warf einen kurzen Blick auf den liegen gebliebenen Kombi. Er war völlig unangetastet geblieben, was sie auch nicht im Mindesten wunderte. Sie hätten im Wagen schlafen sollen. Es wäre wesentlich bequemer gewesen als die schmutzige Decke auf dem steinigen Untergrund, auf der sie sich zusammengekauert hatte, damit ihre Burqa sie ein wenig wärmte. Besser geschlafen hätte sie deswegen allerdings auch nicht,
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