Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
dass sie schwankte, und zog scharf die Luft ein.
„Vorsicht“, sagte Clay und streckte schnell die Hand nach ihr aus, um sie festzuhalten. „Ich hatte nicht die Absicht, Ihnen in die Quere zu kommen.“
Da war er wieder, dieser leicht heisere Unterton in seinen gedehnten Worten, der Janna feuchte Hitze ins Gesicht trieb. Sie hatte das Gefühl, dass sich jede einzelne seiner Fingerspitzen in ihren Arm einbrannte. Bevor sie ihren Blick schnell höher wandern ließ, registrierte sie, dass er nur Boxershorts aus einem seidig glänzenden Stoff trug.
„Meine Schuld“, sagte sie. „Ich habe nicht aufgepasst.“
„Weil Sie andere Dinge im Kopf haben, richtig? Zum Beispiel das, was Sie mit Ihrem nächtlichen Besucher besprochen haben?“
Sie hätte wissen müssen, dass er das Gehör eines Wolfes hatte. „Da muss ich wohl Selbstgespräche geführt haben“, gab sie über die Schulter zurück, während sie weiterging und im Vorbeigehen ihre schmutzigen Sachen in den Wäschekorb neben ihrer Schlafzimmertür warf.
„Dann muss Ihr Testosteronspiegel seit dem Abendessen sprunghaft angestiegen sein. Für mich hat es wie eine Männerstimme geklungen.“
„Das bilden Sie sich nur ein.“
„Verkaufen Sie mich nicht für dumm, Janna“, erwiderte er mit sehr sanfter Stimme.
Ihre Blicke trafen sich. Seine Augen wirkten in dem spärlichen Licht der billigen Deckenlampe so kalt und durchdringend, dass sie fröstelte. Plötzlich erschien es ihr, als ob es nichts gäbe, was er nicht über sie wüsste oder erraten könnte, und dass der Versuch, etwas vor ihm zu verheimlichen, ganz und gar sinnlos wäre. Der Drang, ihm alles zu erzählen und ihn um Hilfe zu bitten, war so stark, dass sie an ihren unausgesprochenen Worten fast erstickte.
Sie musste etwas sagen, etwas tun, um ihn davon zu überzeugen, dass alles halb so schlimm war. Schnell schlüpfte sie an ihm vorbei in die Küche und sagte: „Das würde mir nie einfallen. Ich hole mir ein Glas Wein. Möchten Sie auch eins?“
Er hob eine Augenbraue, während er sie von ihrem silbern schimmernden Scheitel bis hin zu den rosa lackierten Zehennägeln mit seinem Blick abtastete. „Sicher“, sagte er und hob eine Schulter. „Warum nicht?“
Sie lenkte sich damit ab, den Wein aus dem Kühlschrank zu nehmen und zwei Wassergläser zu suchen, da es keine Weingläser gab. Nachdem sie eingeschenkt hatte, hielt sie Clay ein Glas hin.
Er nahm es entgegen und schwenkte es leicht, wobei er zuschaute, wie die rubinrote Flüssigkeit die dicken Glaswände rot färbte. Ohne aufzuschauen fragte er: „Also, wer war das da draußen? Ein Kontakt für einen Drogendeal?“
Sie stieß ein hartes, nervöses Lachen aus. „Sie geben nie auf, stimmt’s?“
„Es zahlt sich nicht aus. Dann war der Kerl also ein Dealer?“
„Sehe ich wirklich so aus, als würde ich mit Rauschgift handeln?“
„Sie könnten eine Verteilerin sein. Künstlertypen sind bekannt dafür, dass sie alternativen Lebensstilen zumindest eine gewisse Sympathie entgegenbringen, und einen kleinen Nebenverdienst können sie normalerweise gut brauchen.“
„Vielen Dank, aber ganz so weit ist es bei mir noch nicht.“
„Nein?“ Er schwieg einen Moment. Schließlich sagte er ruhig: „Dann muss es Ihr Kontakt für eine Schwarzmarktniere gewesen sein.“
Vor Entsetzen wurde ihr schlagartig heiß. Sie war wie gelähmt und brachte keinen Ton heraus. Hart biss sie die Zähne aufeinander und wich seinem Blick aus, um ihre Fassung wieder zu finden. „Das ist lachhaft.“
„Wirklich? Mir ist der Gedanke gekommen, dass Sie mich ja vielleicht deshalb ausgeschaltet haben. Weil ich Ihnen irgendwie in die Quere gekommen bin. Obwohl ich mich frage, wen Sie damit schützen wollen. Lainey, sich selbst, Ihren Lieferanten … oder vielleicht mich?“
Draußen strich ein leichter Wind durch die Zweige der Bäume und bewegte die Verandaschaukel, die in ihren Ketten ächzte. Janna beschlich ein seltsames Gefühl von Unwirklichkeit. Ohne weiter darüber nachzudenken fragte sie: „Wie kommen Sie denn auf so etwas?“
„Weil so alles einen Sinn ergibt. Die ganze Heimlichtuerei, warum Sie mit einem kranken Kind, das offensichtlich der Mittelpunkt Ihres Lebens ist, hier in dieser Einsamkeit wohnen. Und dann noch die Tatsache, dass Lainey sich demnächst einer schweren Operation unterziehen muss.“
Natürlich, Janna hatte gehört, wie Lainey Clay wegen einer Niere gefragt hatte. Der Zusammenhang lag auf der Hand. „Und was ist, wenn
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