Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
ohne auch nur einen einzigen Muskel zu bewegen, ja, sogar ohne es zu wissen. Dabei war doch eigentlich sie diejenige, die alles unter Kontrolle haben sollte. Und doch hätte sie nicht überrascht sein sollen. Sie war damals, in jenen lange zurückliegenden Tagen mit Matt, um diese Tageszeit immer sehr empfänglich gewesen. Lainey war, da war sie sich fast sicher, an einem langen, schwülen Nachmittag gezeugt worden, den sie und Matt im Bett verbracht hatten.
Sie hatte es fast vergessen. Wie hatte sie es zulassen können, dass ihr diese Erinnerung entglitt? Es war kaum möglich. Und dennoch konnte sie sich nicht entsinnen, dass die Leidenschaft an diesem Nachmittag damals so überwältigend, so zwingend gewesen wäre wie jetzt.
Clay bewegte sich nicht. Es wirkte fast wie eine Beleidigung, dass er so ungerührt blieb, auch wenn sie andererseits froh darüber war, da es ihr die Gelegenheit gab, die Fassung wieder zu finden. Reglos blieb sie noch einen Augenblick stehen und sammelte ihre gesamte Kraft, dann zog sie Lainey an die Brust und richtete sich auf. So leise wie möglich verließ sie den Raum und ging über den Flur in das andere Schlafzimmer. Nachdem sie ihre Tochter aufs Bett gelegt hatte, zog sie ihr das Laken über die Beine und drückte ihr die Stoffpuppe in die Armbeuge. Dann verließ sie auf Zehenspitzen das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Das Donnergrollen war jetzt fast über ihnen. Lauschend hob Janna den Kopf und schaute den Flur hinunter zur Küche. Durch die geöffneten Jalousien konnte sie sehen, dass der Wind die Blätter der Bäume peitschte. Das Summen der Klimaanlage, die kühle Luft über den Flur blies, ging fast in dem Heulen unter, und alles deutete daraufhin, dass ein Sommergewitter heraufzog. Und das wäre nur zu begrüßen, wenn sich dadurch die Dinge ein bisschen abkühlten.
Sie ging in die Küche, öffnete die Hintertür und blieb auf der Schwelle stehen. Ein Windstoß fegte herein und brachte den Modergeruch des Seewassers mit. Blinzelnd schaute sie auf die windgepeitschten Wellen, die, unter einem schwarzen Himmel grau aufleuchtend, landeinwärts rollten. Sie schwappten gegen das Ufer, während weiter draußen weiße Schaumkronen auf den Kämmen tanzten. Die ausladenden Äste der Zypressen mit den Blättern, die aussahen wie zerrupfte grüne Spitze, schwankten im Wind. Samenhülsen prallten wie Miniaturkanonenkugeln aufs Wasser und auf die kleine Grünfläche zwischen dem See und der Hütte.
Jetzt sah sie über dem See den dichten weißen Regenvorhang heraufziehen. Er fegte auf sie zu und schleppte einen Nebelschleier hinter sich her, erzeugt durch den Zusammenprall von Kälte und Wärme. Der Wind, der ihr die Haarsträhnen ins Gesicht peitschte, wurde kühler und brachte den unbeschreiblichen Geruch von frischer nasser Erde mit. Dann klatschten die ersten dicken Regentropfen auf den Boden und die Verandatreppe, und schließlich prasselte der Regen gleichmäßig vom Himmel.
Janna konnte spüren, wie die Anspannung von ihr abfiel und übermütiger Heiterkeit Platz machte. Tief sog sie die feuchte Luft in die Lungen ein und schüttelte mit erhobenem Kinn den Kopf, um die kühle Luft zu spüren. Einen kurzen Moment lang verspürte sie den Drang, sich in den strömenden Regen zu stellen und dort stehen zu bleiben, bis sie durchnässt war.
Als sie ein Geräusch hinter sich hörte, drehte sie sich um. Clay lehnte mit dem Rücken an der Wand im Flur, einen Fuß hatte er auf der Fußbodenleiste hinter sich abgestellt. Er beobachtete sie mit einem unergründlichen, fast hungrigen Ausdruck in den Augen.
Es war eine unbewusste Entscheidung, ohne Plan und Ziel. Sie begann einfach auf ihn zuzugehen. Ihr Gang war geschmeidig und gleichmäßig, ihre Schritte weder langsam noch schnell. Ihre Haut fühlte sich frisch und feucht von dem windgepeitschten Regen an. Es gab nichts mehr als Instinkt und Entschlossenheit. Sie hielt seinen Blick fest, während sie auf ihn zuging, immer weiter, bis sie nur noch die Hand auszustrecken brauchte, um ihn zu berühren.
Er blinzelte, dann verengte er die Augen. Plötzlich trat er einen Schritt zur Seite, als ob er ihr den Weg frei machen wollte, damit sie vor ihm sein Schlafzimmer betreten konnte. Überrascht zögerte sie einen Moment, aber ihr schien nichts anderes übrig zu bleiben, als an ihm vorbei ins Zimmer zu gehen.
Vielleicht fühlte er sich ja doch nicht von ihr angezogen? Wie überheblich von ihr anzunehmen, sie könnte dieses Gefühl in
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