Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
einem Krankenzimmer unvermeidlichen Gerüche hinweg erschnupperte er den schwachen Duft von Jannas Haarshampoo, in den sich ein Geruch nach ausgelebter Leidenschaft und Moschus mischte. Als sich ihre Blicke über dem zerzausten Kopf ihrer Tochter hinweg begegneten, sah er in ihren Augen Tränen glitzern.
Begehren wütete in ihm wie der Sturm draußen. Aber größer noch als die reine Lust war der starke Wunsch, Janna zu halten und zu trösten, sie vor allen Unbilden des Lebens zu beschützen und dafür zu sorgen, dass sie nie wieder verletzt wurde. Mit diesem überwältigenden Verlangen, das ebenso überraschend wie stark war, ging ein Gefühl unendlicher Traurigkeit einher; er trauerte um seinen toten Bruder, der nicht lange genug gelebt hatte, um Janna zu heiraten und sie nach Turn-Coupe zu bringen. Matt hatte nie mit ihr in dem großen Baldachinbett in Grand Point geschlafen, er hatte sie nie einen kalten Winter hindurch bis zum Frühlingsanfang gehalten. Er hatte seine Tochter nie gesehen, da er bereits vor ihrer Geburt gestorben war. Nie hatte er ihr Kichern gehört, nie die Intelligenz gesehen, die in ihren Augen aufleuchtete, sie nie in seinen Armen gewiegt.
Damit verschwand auch der letzte Rest von Eifersucht, den Clay seinem Bruder gegenüber empfunden haben mochte. Gesetzt den Fall, er müsste sich entscheiden, ob er lieber die erste oder die letzte Liebe im Leben einer Frau wäre, gäbe es für ihn keinen Zweifel. Wenn er hätte wählen müssen, ob er mit Janna lieber die Zeit geteilt hätte, die bereits hinter ihr lag, oder ihre Zukunft, dann hätte er sich für den Zeitraum entschieden, der länger war.
Es war der falsche Moment und der falsche Ort, um dieses Thema anzuschneiden, aber er wusste nicht, ob es je einen besseren Zeitpunkt geben würde. Mit leiser Stimme sagte er: „Du warst Matts geheimnisvolle Schöne.“
Sie starrte ihn an, als ob sie glaubte, sich verhört zu haben. Schließlich erwiderte sie: „Dann wusstest du es also.“
„Ich wusste, dass es kurz vor seinem Tod eine Frau gab“, stellte Clay richtig, „aber nicht wo oder wer sie war. Genauso wenig wusste ich über die Schwangerschaft. Ich nehme an, dass Matt seine Gründe hatte, mir nichts Genaueres zu erzählen. Davon abgesehen hat er auch nicht immer praktisch gedacht, aber es ist völlig untypisch für ihn, nichts von seinem eigenen Kind wissen zu wollen.“
„Das war auch nicht so“, sagte sie schroff, während sie sich von ihm abwandte und Lainey losließ. „Er hat nie von ihr erfahren. Ich bin nicht mehr dazu gekommen, ihm zu erzählen, dass ich schwanger bin.“
Sein erleichterter Seufzer strich durch Laineys Locken, während er sie noch enger an seine Brust zog. Es war gut zu wissen, dass er seinen Bruder nicht falsch eingeschätzt hatte. „Warum hast du dich nach seinem Tod nicht an uns gewandt? Wir hätten dir geholfen.“
„Das habe ich. Aber ihr habt es nicht.“
„Was meinst du damit?“ fragte er, wobei er so stark die Stirn runzelte, dass seine Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammenstießen.
„Ich erfuhr von der Explosion auf der Bohrinsel durch die Nachrichten und hörte, dass Matt vermisst wurde. Als ich in Turn-Coupe anrief, um mehr in Erfahrung zu bringen, war euer Vater am Telefon. Er sagte mir, dass Matt tot sei. Einfach so. Ich versuchte ihm zu erklären, dass wir verlobt waren, aber er weigerte sich zuzuhören. Er schien mich für eine Schwindlerin zu halten und verlangte, ich solle ihm einen Vaterschaftsnachweis vorlegen, wenn das Baby da ist. Dann würde er sich überlegen, was für einen Preis er für Matts Kind zahlen wolle.“
„Du großer Gott“, flüsterte Clay entsetzt. Dieses Verhalten war typisch gewesen für den alten Mann, besonders in den Wochen nach Matts Tod. Er war schon zu seinen besten Zeiten verstockt und misstrauisch gewesen, aber der Schmerz um seinen Sohn hatte ihn hart und unnachgiebig gemacht. Und mit Matt war er immer besonders streng gewesen, weil dieser der Frau, die ihn verlassen hatte, von all seinen Kindern am ähnlichsten gewesen war. Dennoch hatte Clay gewusst, dass Matt aus demselben Grund im Herzen des alten Mannes immer einen besonderen Platz eingenommen hatte.
„Und danach hast du dich nie wieder mit ihm in Verbindung gesetzt?“ fragte er mit erstickter Stimme. „Und hast auch nie versucht, mit den anderen Benedicts Kontakt aufzunehmen?“
„Mein Kind war nicht zu verkaufen.“ In dieser Erklärung schwang eine abgrundtiefe Verachtung mit.
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