Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
hast, aber ich kann dir versichern, dass ich nicht die Absicht habe, dir oder Lainey wehzutun. Ich habe nichts getan, wozu man mich nicht eingeladen hätte.“
„Nein, du bist unschuldig. Wenn irgendetwas passiert, ist es ganz allein meine Schuld, auch wenn ich …“
„Was?“ drängte er. „Sag es mir.“
Sie schaute weg und nagte an der Unterlippe. Schließlich erwiderte sie in gepresstem Ton: „Wenn Lainey jetzt wirklich krank wird, muss die Operation verschoben werden, und wir werden die Niere verlieren, die man uns zugesagt hat.“
„Ich dachte schon, du hättest Angst, dass sie hier draußen sterben könnte“, entgegnete er mit einem Kopfschütteln.
„Das auch“, stimmte sie zu. „Und du hast mich gewarnt, was nur beweist, wie Recht du hattest.“
Ihre tränenerstickte Stimme bewirkte, dass sein Zorn verrauchte. „Das habe ich nicht gesagt.“
„Aber du denkst es. Obwohl es dir eigentlich egal sein könnte.“
„Kinder sind etwas Besonderes. Lainey ist etwas Besonderes“, sagte er, und ihm wurde im gleichen Augenblick mit schmerzhafter Deutlichkeit bewusst, dass er die Kleine mittlerweile ins Herz geschlossen hatte. Sie war trotz ihrer schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme lieb und umgänglich, wurde normalerweise mit ihrer Situation spielend leicht fertig und war meistens so tapfer, dass es ihm zu Herzen ging. Dass sie eine Miniaturausgabe ihrer Mutter war, spielte wahrscheinlich noch eine zusätzliche Rolle.
„Ach, ja?“ fragte Janna spöttisch. „Und in welchem Alter hört das auf? Wenn sie Teenager sind, vielleicht?“
Clay dachte an Roans Sohn Jake, einen Fünfzehnjährigen, der komisch, linkisch und weise zugleich war und einem mit seinem Gehabe gelegentlich gehörig auf den Wecker gehen konnte, auch wenn er versprach, eines Tages ein anständiger Bürger und typischer Benedict-Spross zu werden. „Großer Gott, nein“, sagte er. „Kinder sind in jedem Alter Hoffnungsträger, und es gibt nichts, was uns der Unsterblichkeit näher bringen könnte als sie.“
„Ich bin gerührt oder wäre es zumindest, wenn ich dir glauben würde.“ Sie riss sich von ihm los, eilte den Flur hinunter und verschwand wieder in Laineys Zimmer. Kurz darauf weinte das Mädchen noch lauter, ein sicherer Hinweis darauf, dass ihre Mutter sie an die Dialyseschläuche anschloss.
Ganz offensichtlich verstand Janna ihn nicht, da sie die Einstellung der Benedicts Kindern gegenüber nicht kannte. Auch wenn er ihr das zugute halten musste, fiel es ihm dennoch schwer, mit ihrer abrupten Verhaltensänderung ihm gegenüber klarzukommen, die er nicht einordnen konnte, selbst wenn er in Betracht zog, dass sie Angst um Lainey hatte und ihm immer noch etwas verheimlichte.
Sie hatten miteinander Liebe gemacht, und es war nicht nur Sex gewesen. Sie waren nicht einfach nur schnell und heißhungrig übereinander hergefallen. Nein, es war eine traumhafte sinnliche Forschungsreise gewesen, so hatte zumindest er es empfunden. Janna hatte ihn gebraucht, ja, – aber er war sich sicher, dass sie ihn auch begehrt hatte.
Und warum schob sie ihn dann jetzt einfach beiseite, als ob sie keine Verwendung mehr für ihn hätte? Dafür gab es, seiner Meinung nach, nur zwei Möglichkeiten. Entweder irrte er sich, und es war eben doch nur Sex gewesen, und sie hatte bekommen, was sie wollte. Oder sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm etwas verheimlichte.
Und das beunruhigte ihn, was immer es auch sein mochte.
Er musste herausfinden, worum es sich dabei handelte. Aber solange Lainey im Zimmer nebenan so herzzerreißend weinte, als ob in ihrem jungen Leben alles schief gelaufen wäre und nie wieder gut werden würde, war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Clay ertrug die erschöpften Schreie, so lange er konnte. Als er das Gefühl hatte, beim nächsten Schrei den Verstand zu verlieren, machte er kurz entschlossen kehrt und marschierte in sein Schlafzimmer. Mit aller Kraft zerrte er am Fußende des Bettes an dem Seil, bis er sich noch ein wenig zusätzlichen Bewegungsspielraum verschafft hatte. Dann verließ er das Zimmer wieder, wobei sich das Plastikseil so anspannte, dass es bei jedem Schritt wie eine Peitsche gegen den Türrahmen schlug.
Janna saß auf der Bettkante und hielt Lainey, an deren Beinen die Dialyseschläuche herunterbaumelten, auf ihrem Schoß. Als Clay im Türrahmen auftauchte, schaute sie überrascht auf.
„Ich musste sie selbst sehen“, erklärte er kurz, wobei er lauter als sonst sprechen
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