Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
heiser war, da sie so lange nicht gesprochen hatte. „Kann ich es sehen?“
Regina schaute Janna an. „Ist es okay?“
Janna war, als hätte man ihr einen Kübel mit Eiswasser über den Kopf geschüttet. „Sie hat nichts Ansteckendes, falls Sie das meinen“, sagte sie kalt.
„Nein, nein!“ Reginas zarte helle Haut wirkte jetzt fast, als ob sie glühte, so rot war sie geworden. „Ich wollte nur nichts falsch machen oder sie überanstrengen oder … oder … sie womöglich unbewusst verletzen.“
„Entschuldigen Sie“, erwiderte Janna und war plötzlich beschämt. „Ja, es ist in Ordnung.“
Reginas Lächeln wirkte immer noch ein wenig zaghaft, und sie schaute zur Bestätigung zu Clay. Erst als dieser nickte, trat sie ans Bett und hielt Lainey das Baby hin. Das Mädchen öffnete vollkommen selbstverständlich die Arme, und Regina legte den Säugling neben sie, wobei sie auf die Schläuche aufpasste.
Das Baby schlug die dunklen Augen auf, und die beiden Kinder betrachteten einander in ernster und stummer Übereinstimmung. Dann erblühte auf Laineys Gesicht ein langsames Lächeln, das höher kroch, bis es ihre Augen erreicht hatte. „Oh“, flüsterte sie ehrfürchtig. „Sie ist so schön. Und einfach perfekt.“
„Du auch, Süße“, sagte Regina. „Du auch.“
Janna fühlte Sympathie für Regina in sich aufsteigen. Und gleichzeitig gestattete sie sich, etwas zu akzeptieren, das sie bis zu diesem Augenblick sorgfältig verdrängt hatte. Andere Mütter hatten ebenfalls perfekte, geliebte Kinder, und für sie war die Vorstellung, dass diese Kinder sterben könnten, ebenso unerträglich wie für sie selbst.
Vielleicht lag es an diesem Vorfall, an Dr. Hargroves Warnung oder schlicht nur an ihrer Erschöpfung, aber plötzlich erschien ihr der Gedanke, dass sie Regina oder April erlauben könnte, irgendwann für kurze Zeit am Bett ihrer Tochter zu wachen, nicht mehr ganz und gar undenkbar.
Es war nicht davon auszugehen, dass sich Laineys Zustand in den nächsten Stunden Aufsehen erregend bessern würde, aber sie erholte sich langsam. Ihr Blutdruck war fast wieder normal, die Flüssigkeit versickerte, und ihre Herztöne waren ebenfalls leiser geworden. Sie hatte immer noch ein bisschen Fieber, doch es bestand nicht mehr die unmittelbare Gefahr, sie zu verlieren.
April und Regina Benedict blieben nicht lange an diesem Nachmittag. Clay begleitete sie nach draußen. Da er nicht gleich zurückkam, nahm Janna an, dass sie auf dem Flur eine Art Familienrat abhielten; doch als er wieder ins Zimmer trat, sagte er nicht, worüber sie gesprochen hatten, und sie fragte auch nicht. Die beiden Frauen waren nicht die einzigen Benedicts, die an diesem Tag zu Besuch kamen. Die erste Besucherin war Betsy, eine mollige, offenherzige Blondine mit steifem Haar, die eine fast überwältigende Freundlichkeit an den Tag legte. Bei Sonnenuntergang tauchte Kane Benedict auf, der ernste, engagierte Anwalt, der mit Regina verheiratet und offenbar auf dem Heimweg von seiner Kanzlei war. Kurz darauf kam Luke, ein Benedict, der wegen seiner dunklen Haare, seines warmen Lächelns und lässigen Charmes viel Ähnlichkeit mit Clay hatte. Sie gingen erst, als Roan zurückkehrte, als ob sie sich verpflichtet fühlten, auf ihre Ablösung zu warten, dachte Janna.
Es war fast eine Erleichterung, als Roan sich schließlich ebenfalls verabschiedete, denn es schien, als ob das Krankenzimmer zu einer männlichen Enklave geworden war, mit einem Übermaß an hoch gewachsenen, umwerfend männlichen Gestalten. Obwohl natürlich neben Clays ständiger Anwesenheit schon ein einziger Mann ausreichte, um diesen Eindruck zu erwecken. Trotzdem war sie froh, dass er da war, weil sie nicht gewusst hätte, worüber sie mit seinen Verwandten hätte reden sollen, und ihr Geist war zu schwerfällig, um irgendetwas anderes als Gemeinplätze zu produzieren.
Kurz vor Schichtende, gegen halb elf, steckte Johnnie, die Krankenschwester, die bei Laineys Aufnahme Dienst gehabt hatte, den Kopf zur Tür herein. Als sie Janna und Clay aufrecht, aber schweigend und im Halbschlaf dasitzen sah, hob sie die Augenbrauen und sagte: „Seid ihr zwei immer noch hier? Du lieber Himmel, das Durchhaltevermögen der Jugend möchte ich noch mal haben. Aber keine Angst, die Verstärkung ist schon im Anmarsch. April sucht sich draußen gerade einen Parkplatz“.
„April ist soeben eingetroffen“, sagte in diesem Moment die Schriftstellerin hinter ihr. Sie schob sich an Johnnies
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