Der Berg Der Abenteuer
Du wirst dich frei und leicht fühlen wie die Luft selber. Und ganz nach Belieben kannst du mit den Flügeln fliegen, in die Höhe steigen oder kreisend schweben.«
»Klingt das nicht märchenhaft?« flüsterte Lucy, die vollkommen in dem Bann der königlichen Ansprache stand.
»Die Flügel müssen an deinem Körper befestigt werden«, fuhr der König fort. »Breite die Arme aus, dann werde ich sie dir anlegen.«
»Diese Flügel — ist das alles, was Sie mir mitgeben wollen?« fragte der Fallschirmspringer verwirrt.
»Du brauchst nichts anderes«, versicherte der König. »In den Flügeln sind wirksame Strahlen eingefangen. Durch einen Druck auf den Knopf werden sie befreit, schießen zur Erde und heben die Schwerkraft auf. Du kannst unmöglich fallen. Wenn du aber auf die Erde zurückwillst, brauchst du nur auf einen anderen Knopf zu drücken.
Dann wirkt die Erde wieder anziehend auf dich, und du gleitest sanft auf sie hinunter.«
»Ja — aber — ich dachte, ich sollte einen neuen Fallschirm ausprobieren«, stotterte der Mann. »Wenn ich ge-wußt hätte, daß es sich um solch dummes Zeug handelt...«
»Das ist kein dummes Zeug«, unterbrach ihn Mejer kurz. »Du siehst hier die großartige Erfindung des größten Wissenschaftlers der Welt. Morlik und ich werden dich unten in den Bergen empfangen, wenn du ein paar Kilometer geflogen bist. Mit Hilfe der Hunde werden wir dich leicht finden. Dann wirst du als Vorkämpfer der Wissenschaft dein Leben lang reich und geehrt sein.«
»Ja — aber — ich bin ziemlich schwer«, wandte der Fallschirmspringer ein. »Diese schwachen Flügel werden mich nicht tragen, ob mit oder ohne Strahlen. Von der Anziehungskraft der Erde weiß ich nichts. Aber ich weiß, daß ich mir das Genick brechen werde, wenn ich mit diesen Dingern aus dem Flugzeug springe. Seid ihr denn alle verrückt?«
»Haltet ihn!« rief Mejer plötzlich scharf. Morlik und die Japaner stürzten sich auf den Fallschirmspringer und hielten ihn an den Armen fest. Ruhig legte der König ihm die Flügel an. Die Kinder beobachteten alles mit angehaltenem Atem.
Der Mann schrie und wehrte sich verzweifelt, konnte sich jedoch nicht losmachen. »Bringt ihn in den Hubschrauber!« befahl Mejer. »Fliege du lieber mit, Morlik, und wirf ihn im richtigen Augenblick heraus. Wenn er so dumm ist, nicht auf den Knopf zu drücken, so ist das seine Sache. Wenn er jedoch klug ist, wird er es tun, und dann wird er auch fliegen.«
Aber jetzt begann plötzlich der Pilot Einwände zu machen. »Der Bursche ist meiner Ansicht nach zu schwer«, sagte er von oben herab. »Überlegen Sie es sich noch einmal, Chef, und lassen Sie die Flügel doppelt so groß machen. Ich bin zu jedem Experiment bereit, das einige Aussicht auf Erfolg hat. Aber der Absprang eines schweren Mannes mit diesen Flügeln ist Wahnsinn.«
»Soll das heißen, daß Sie sich weigern, den Burschen mitzunehmen?« fragte Mejer scharf.
»Sie haben mich erstaunlich schnell begriffen.« Die Narbe des Piloten leuchtete plötzlich blutrot auf. »Machen Sie den Versuch mit einem kleineren Menschen. Beim letzten Mal glaubte ich tatsächlich ein paar Sekunden lang, er würde gelingen. Aber dann war es doch wieder nichts. Die Fallschirmspringer sind einfach zu groß und zu schwer. Jedenfalls nehme ich niemand mehr mit, der nicht freiwillig geht. Verstanden?«
Mejer machte ein paar hastige Schritte auf den Mann zu. Es sah fast so aus, als wollte er ihn schlagen. Morlik trat jedoch noch im letzten Augenblick dazwischen.
»Ihr Glück«, murmelte der Pilot, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. »Machen Sie keine Witze mit mir, Chef. Ich weiß zuviel, und auch andere werden zuviel wissen, wenn ich nicht rechtzeitig zurück bin.«
Der Pilot drehte sich kurz um und kletterte in die Maschine. Sein Begleiter, der während der ganzen Zeit kein Wort gesprochen hatte, folgte schweigend. Der Fallschirmspringer starrte ihnen verwirrt nach. Da heulte bereits der Motor auf.
Mejer platzte fast vor Wut. Der Pilot lehnte sich noch einmal aus dem Hubschrauber und rief ihm zu: »Leben Sie wohl! Ich komme nicht mehr wieder, sondern werde ein wenig Urlaub nehmen. Als Ersatz werde ich jemand schicken, der nicht so heikel ist wie ich. Aber ich rate Ihnen, versuchen Sie es nächstes Mal mit einem kleineren Burschen.«
Das Flugzeug stieg senkrecht in die Luft, kreiste noch einmal um den Gipfel und flog dann in westlicher Richtung davon. Bald war es in der Ferne verschwunden.
Die Kinder
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