Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
auf ein Glas Zitronenlimonade“, bot Tara ihnen an. „Die ist ganz frisch von heute Morgen, bevor ich mit der Arbeit angefangen habe.“
Madison schaute zweifelnd drein. So wie die meisten Kinder und nicht wenige Erwachsene schien sie zu denken, dass es mit genügend Willenskraft möglich sein musste, die Zeit schneller verstreichen zu lassen. Es schien das beharrliche, aber vergebliche Bemühen zu sein, dass sie so nervös werden ließ.
„Ich habe auch Kekse“, legte Tara mit wissendem Lächeln nach.
„Welche Sorte?“, wollte die Kleine wissen.
„Madison“, seufzte Kendra.
Tara lachte leise. „Mit Schokoladenstückchen.“
„Aber dann nur einen“, entschied Madison.
„Madison Shepherd“, warf Kendra ein. „Was sagst du, wenn dir jemand sehr freundlich Limonade und Keks anbietet?“
„Wenn das jemand ist, den ich kenne, meinst du?“, fragte sie. „Mit Fremden soll ich doch nicht reden, oder?“
Kendra verkniff sich einen Seufzer. „Nein“, antwortete sie geduldig. „Mit Fremden sollst du nicht reden. Aber Tara ist keine Fremde.“
Dann auf einmal strahlte Madison über das ganze Gesicht, da sie sich schließlich doch noch an ihre Manieren erinnern konnte - oder einfach nur beschlossen hatte, diese Manieren letztlich doch anzuwenden. „Ja, bitte“, antwortete sie so triumphierend wie die Kandidatin bei einer Quizshow, der gerade noch die richtige Lösung eingefallen war und die jetzt den Hauptpreis einstecken konnte.
Gemeinsam gingen sie ins Haus. Während Tara ihre schmutzigen Schuhe auszog und zur Seite stellte, kamen auch die Hunde ein wenig verschlafen nach drinnen getrottet und legten sich gemeinsam auf Lucys flauschiges Hundekissen in einer Ecke von Taras Küche. Daisy legte ihren Kopf auf Lucys Hals. Im Licht der Sonne, die durch das Fenster in die Küche fiel, strahlten die beiden nahezu goldfarben.
Tara, die von diesem Anblick genauso fasziniert war wie Kendra, griff nach ihrem Handy und machte ein Foto von den Hunden. „Ich schicke dir das Foto mit der nächsten Mail“, sagte sie und legte das Telefon zur Seite.
Kendra nickte, dann gingen sie und Madison ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen. Als sie in die Küche zurückkamen, goss Tara Limonade in Kristallgläser. Auf einem teuren Porzellanteller lagen die versprochenen Kekse.
Der Kontrast zwischen dem alten Farmhaus und Taras eleganten und kostspieligen Sachen, die sie aus New York mitgebracht hatte, ließ Kendra flüchtig lächeln. So eng befreundet sie beide auch waren, hatte Tara über ihr Leben vor dem Umzug nach Parable bislang kaum etwas verlauten lassen. Von einer hässlichen Scheidung war die Rede gewesen, außerdem von ihrem Verlangen, etwas ganz Neues aus sich zu machen, aber das war auch schon alles gewesen.
Kendra war so wie Joslyn der Meinung, dass Tara sich ihnen schon anvertrauen würde, wenn die Zeit dafür gekommen war, und bis dahin würden sie mit dem zufrieden sein, was sie hatten.
Tara, Kendra und Madison unterhielten sich angeregt, während sie Limonade und Kekse genossen, dann wurde es zu Madisons großer Freude allmählich Zeit, nach Hause zu fahren. Das Mädchen verabschiedete sich von Daisy, die ihre Augen nur einen Spaltbreit aufmachte. Kendra dankte Tara für alle ihre Bemühungen.
Sie waren noch keine Viertelstunde zurück zu Hause, da hörte Kendra, wie ein Wagen auf ihr Grundstück gefahren kam.
„Da ist er!“, rief Madison aus dem Wohnzimmer, wo sie seit dem Moment ihrer Rückkehr Wache gehalten hatte. „Er hat einen ganz glänzenden Truck!“
Kendra stutzte. Hutch brachte sie immer mit einem der ramponierten alten Pick-ups in Verbindung, die auf der Ranch zum Einsatz gekommen waren. Es schien ihm zu genügen, den Wagen zu nehmen, der gerade von niemandem sonst gebraucht wurde. So wie die meisten Leute vergaß auch Kendra allzu leicht, dass Hutch viel Geld hatte, weil er sich mit einem schlichten Lebensstil begnügte und nicht mit seinem Vermögen prahlte.
Sie ging hinaus auf die hintere Veranda. Mit klopfendem Herzen sah sie zu, wie Hutch aus dem im Sonnenschein glänzenden roten Truck ausstieg.
„Neues Auto?“, fragte sie. Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, aber äußerlich war sie die Ruhe selbst.
Jedenfalls hoffte sie das.
„Ich mache eine Probefahrt damit“, erklärte er. Seine leicht zerzausten Haare waren eine Spur zu lang. Er trug einen schwarzen Hut, Jeans, ein buntes Hemd und zweckmäßige Stiefel. Immerhin wollte er heute am Rodeo teilnehmen,
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