Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
soeben für Hutch und Kendra je eine Tasse Kaffee ein, während ihr Tee noch ziehen musste. Auf dem Küchentresen fand sich eine enorme Auswahl an Aufläufen und Pasteten.
„Ist irgendjemand gestorben?“, fragte Hutch und griff nach einer der Pasteten. Leviticus stand neben ihm und beobachtete aufmerksam und treu ergeben jede Geste seines Herrchens.
Opal unterbrach ihre Arbeit lange genug, um Hutch einen Klaps auf die Hand zu geben. „Nein“, sagte sie energisch, aber auch mit einem Schuss Sanftheit in ihrer Stimme. „Niemand ist gestorben. Wir bekommen einen neuen Pastor, nachdem Lloyd beschossen hat, in den Ruhestand zu gehen. Morgen früh soll er der Gemeinde vorgestellt werden.“
Da Kendra an den letzten Sonntagen nicht im Gottesdienst gewesen war, fühlte sie sich ein wenig verärgert darüber, dass sie von einer solchen Veränderung nichts erfahren hatte. Sie wollte zu einer Bemerkung ansetzen, ließ es dann aber bleiben, da ihr beim besten Willen nichts in den Sinn kommen wollte.
„Du kannst was von dem Kirschstreusel da drüben nehmen“, sagte Opal zu Hutch und zeigte auf eine Backform, die einsam und verlassen auf dem Backofen stand. „Den habe ich extra für dich gebacken.“
„Jawohl!“, rief er begeistert und ging zum Ofen.
Unterdessen setzte sich Kendra hin und trank einen Schluck Kaffee.
„Willst du auch was haben?“, fragte er und hielt den Teller hoch, auf dem sich mindestens eine doppelte Portion befand.
„Nein, danke.“ Kendra lächelte ihn müde an. „Das sieht zwar köstlich aus, aber ich habe heute schon mehr als genug Zucker zu mir genommen.“
Hutch kam zu ihr und setzte sich zu ihr an den Tisch.
„Wenn du so weitermachst“, sagte er im Spaß zu Opal, „werde ich dich noch bei mir einstellen müssen.“
„Davon kannst du lange träumen“, wehrte sie amüsiert ab. „Slade Barlow ist derjenige, von dem ich meinen Gehaltsscheck bekomme. Ich bin nur vorübergehend hier, um dafür zu sorgen, dass du dich nicht in einen kauzigen alten Kerl verwandelst, der Flaggen und Bettlaken vor die Fenster hängt und sich nur noch direkt aus der Konservendose ernährt.“
Hutch musste darüber so lachen, dass er sich an dem Bissen verschluckte, den er eben in den Mund genommen hatte. Kendra, die seit dem Bullenreiten immer noch angespannt und nervös war, wurde ein wenig ruhiger und brachte sogar ein Lächeln zustande.
„Aber inzwischen“, fuhr Opal fort und setzte sich mit ihrer Tasse Tee zu ihnen an den Tisch, „fange ich an, daran zu glauben, dass es doch noch Hoffnung für dich gibt, Hutch Carmody.“ Sie sah zu Kendra und wiederholte lächelnd: „O ja, ich glaube, es gibt doch noch Hoffnung für dich.“
Als Kendra begriff, wie Opal das meinte, wechselte sie mit etwas zu viel Eifer das Thema: „Pastor Lloyd geht in den Ruhestand? Wird für ihn denn auch noch eine Abschiedsfeier veranstaltet?“
„Natürlich“, bestätigte Opal. „Wir planen alles für morgen, gleich nach dem Gottesdienst.“ Ein seltsamer, entrückter Ausdruck schlich sich in ihre dunklen Augen, als sie über Kendras rechte Schulter hinweg bis in die Unendlichkeit starrte. „Der Nachfolger“, sprach sie nachdenklich weiter, „könnte ein Doppelgänger von Morgan Freeman sein. Er hat Harvard besucht. Und er ist alleinstehend. Witwer, genau wie mein Willie.“
Hutch lachte leise vor sich hin, aber er war zu sehr mit seinem Kirschstreusel beschäftigt, als dass er eine Bemerkung hätte machen können. Offenbar sorgte Bullenreiten dafür, dass man anschließend Kohlenhydrate in großen Mengen zu sich nehmen musste. Nebenbei bekam der Hund auch noch den einen oder anderen Happen ab.
„Du hast ihn schon kennengelernt?“, fragte Kendra in erster Linie, damit die Unterhaltung nicht ins Stocken geriet. Allerdings war sie auch ein wenig irritiert über Opals Stimmung, die mit einem Mal etwas Wehmütiges angenommen hatte.
Opal schüttelte den Kopf, dabei kehrte sie ins Hier und Jetzt zurück. „Ich habe nur sein Foto gesehen“, sagte sie. Kendra hätte schwören können, dass Opals dunkle Haut einen leicht rötlichen Schimmer annahm. „Ich gehöre zum Auswahlkomitee für den neuen Pastor, musst du wissen.“
Hutch trank einen Schluck Kaffee und widmete sich wieder seinem Kirschstreusel. „Du hast den Mann ausgesucht, weil er gut aussieht?“, fragte er amüsiert. „Also, Opal, ich muss schon sagen, dass man den Eindruck bekommen könnte, du bist auf der Suche nach einem neuen Ehemann.“
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