Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
Für jemanden, der so zierlich war sie wie, hatte sie einen erstaunlichen festen Handgriff. „Freut mich Sie kennenzulernen“, fügte sie an und ließ einen deutlichen Südstaatenakzent einfließen.
„Sie glaubt, alle Welt an der Nase herumführen zu können“, warf Walker amüsiert ein. „Das ist Caseys Vorstellung von unauffälligem Auftreten.“
Sie nahm die Sonnenbrille ab, hinter der sich faszinierende grüne Augen mit langen Wimpern verbargen, und zog an Walker gerichtet eine Grimasse. „Lass mir doch meinen Spaß“, gab sie lässig zurück, dann entdeckte sie auf einmal Daisy und ging schnurstracks zu ihr, um sie zu kraulen und mit ihr zu reden, als wäre sie einer alten Freundin wiederbegegnet.
Daisy war von Casey genauso auf Anhieb begeistert wie zuvor von Walker. Kendra hielt das für ein gutes Zeichen, weil sie daran glaubte, dass Hunde und andere Haustiere den Charakter eines Menschen viel besser einschätzen konnten als die Mitmenschen.
„Ich bin jetzt auf jeden Fall bereit, mir das Haus anzusehen“, verkündete Casey plötzlich. „Seit Walker mir die Fotos geschickt hat, bin ich völlig aufgeregt.“
„Wir nehmen meinen Wagen“, sagte Kendra und griff nach dem Schlüssel. Bevor sie am Morgen mit Madison zur Vorschule gefahren war, hatte sie den ganzen Innenraum gestaubsaugt und dann eine alte Decke auf den Rücksitz gelegt, damit Daisy nicht wieder Dreck und Haare auf den Polstern hinterlassen konnte.
„Ja, einverstanden“, erwiderte Casey.
Gemeinsam verließen sie das Ladenlokal durch die Hintertür, da sie ihren Wagen dort geparkt hatte. Außerdem wurde auf diese Weise so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf die prominente Kundin gelenkt.
Daisy gefiel es gar nicht, allein im Geschäft bleiben zu sollen. Sie winselte jämmerlich und versuchte den Kopf durch den Türspalt zu zwängen, als Kendra abschließen wollte.
„Ach, lassen Sie sie doch mitfahren“, bat Casey.
„Sie haart aber.“
„Stört mich nicht.“
Kendra nickte und nahm Daisy mit. Casey Elder war ihr mit dieser bodenständigen Art auf Anhieb sympathisch. Sie würde gut nach Parable passen, sofern sie sich für das Haus entschied. Wegen Madisons Kindersitz musste sich Daisy auf der Rückbank neben Casey quetschen, während Walker auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Obwohl Kendra auf einem Umweg durch Nebenstraßen zur Rodeo Road fuhr, sahen viele Leute ihnen hinterher, die auf dem Fußweg unterwegs waren oder sich im Vorgarten aufhielten.
Jeder Fremde ließ die Menschen in Parable aufmerksam werden, aber vielleicht erkannte der eine oder andere, wer da durch die Stadt gefahren wurde. Trotz ihrer Tarnung kam es Kendra so vor, dass Casey Elder ein natürliches Selbstbewusstsein ausstrahlte, das sie zu etwas ganz Besonderem machte.
Sie erreichten das Herrenhaus ohne Zwischenfall, und da die Maler und die Putzkolonne ihre Arbeit erledigten hatten, würden sie sich allein durch das Haus bewegen können.
„Lieber Himmel“, sagte Casey, als sie ausgestiegen war und durch das Hauptportal das Gebäude betrachtete. „Das nenne ich aber mal ein Häuschen.“
Kendra schloss soeben die Haustür auf, Daisy stand neben ihr. „Du benimmst dich“, flüsterte sie der Hündin zu.
Nachdem sie alle eingetreten waren, schilderte Kendra in groben Zügen die Besonderheiten und Vorzüge des Hauses, aber da sie merkte, dass Walker und Casey sich lieber auf eigene Faust umsehen wollten, zog sie sich mit Daisy zurück und erklärte, sie sei entweder auf der Veranda oder im Garten zu finden.
Casey nickte und lächelte dabei dankbar, dann machten sie und Walker sich an die Erkundung des Hauses. Unterdessen ging Kendra mit Daisy zusammen in den Garten hinter dem Haus, begutachtete die Blumenbeete und stellte fest, dass der beauftragte Gärtner ordentlich arbeitete. Dann schloss sie das Gästecottage auf, damit Casey sich dort auch umsehen konnte.
Im Garten pflückte sie einen Strauß Zinnien, den sie mit nach Hause nehmen und in der Küche in eine Vase stellen wollte. Mit den Blumen in der Hand stand sie da und wartete darauf, dass ein Gefühl der Traurigkeit sie überkam, weil sie das alles hinter sich ließ. Immerhin war das früher einmal ihr über alles geliebtes Traumhaus gewesen, in dem sie voller Stolz gewohnt hatte. Viele glückliche Erinnerungen verband sie mit dem Haus, aus der Zeit vor Jeffrey ebenso wie nach der Trennung von ihm. Schon als Kind hatte sie hier gespielt, und viel später hatte Joslyn nach ihrer Rückkehr
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