Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
Jeans, Turnschuhen und einem blauen Pullover mit dem Logo der University of Montana darauf wirkte sie mehr wie ein Teenager als wie eine erfolgreiche Geschäftsfrau von dreißig Jahren, die eine geplatzte Hochzeit hinter sich hatte. Sie war ungeschminkt und trug ihr rostbraunes Haar sie zu einem langen, ordentlichen Zopf geflochten.
Hutchs Anwesenheit bemerkte sie nicht sofort, und er nutzte diesen Moment, um sich einen Ruck zu geben, damit er nicht noch in letzter Sekunde kehrtmachte. Dabei wünschte er sich, er würde irgendetwas für Brylee empfinden. Himmel, sie war wunderschön und reizend und intelligent. Sie würde eine wunderbare Ehefrau und Mutter sein - aber sie löste tief in seinem Inneren keine Reaktion aus, und deshalb konnte es für sie keine gemeinsame Zukunft geben.
Plötzlich hielt Brylee inne, so wie ein Reh, das mit einem Mal eine Gefahr witterte. Sie drehte sich um und entdeckte Hutch am Rolltor zum Lagerhaus. Ihre großen Augen wirkten leer und ausdruckslos, während sie ihn musterte. Er wusste, sie überlegte in diesem Moment, ob sie ihn einfach ignorieren oder lieber mit einem gezielten Schuss niederstrecken oder mit dem Gabelstapler überfahren sollte.
Brylee war temperamentvoll, starrköpfig und alles andere als ein Feigling. Sie sagte leise etwas zu ihren Mitarbeiterinnen, die Hutch anstarrten, als sei er Hannibal Lecter persönlich. Dann kam sie mit bedächtigen Schritten näher.
Ihr Unternehmen, das noch klein, aber im Wachstum begriffen war, bot die Planung von Partys für alle denkbaren Anlässe an. Außerdem verkaufte sie Heimdekor und Geschenkartikel. Sie verfügte über ein Netzwerk von Vertretern, die fünf Bundesstaaten abdeckten, und sie vertrieb ihre Produkte auch noch über einen Online-Shop.
„Hallo, Hutch.“ Sie nickte knapp in Richtung ihres Büros und ging, ohne auf ihn zu warten, voran.
Er folgte ihr, nachdem er ein „Hallo“ erwidert hatte.
Das Büro war klein und mit Möbeln aus Armeebeständen eingerichtet. Ihre kreativen Kapazitäten nutzte Brylee offenbar vorzugsweise, um Produkte auszusuchen und zu fotografieren, um ihre „unabhängigen Inneneinrichtungsberater“ zu schulen und um sich innovative Marketingstrategien zu überlegen. Hier in diesem kleinen Raum am Rand ihres Lagers kümmerte sie sich um die praktische Seite des Geschäfts.
„Ich hatte mich schon gefragt, wann du wohl auftauchen würdest“, sagte sie, nachdem sie die Tür geschlossen hatte, damit niemand mithören konnte.
„Ich wollte das eigentlich direkt machen, gleich nach … na, du weißt schon … aber da wurde mir von allen Seiten gesagt, das sei keine gute Idee“, erwiderte er. Er war an der Tür stehen geblieben. Brylee setzte sich auf die Kante ihres ramponierten stählernen Schreibtischs und verschränkte die Arme vor der Brust. In ihrem Blick lag eindeutige Skepsis vor dem, was er zu sagen hatte.
„Ich hätte dir die Mühe ersparen können, mir einen Besuch abzustatten“, gab sie zurück. Sie machte einen erschöpften, überarbeiteten Eindruck. Die dunklen Augenringe hoben sich von ihrer blassen Haut ab, doch in ihren braunen Augen blitzte dennoch ein trotziger Stolz auf. Beinahe verächtlich sagte sie: „Ich habe dir nichts zu sagen, Hutch. Jedenfalls nichts, was in irgendeiner Weise jugendfrei wäre.“
„Tja“, sagte er nach einem kurzen ironischen Lacher. „Es ist nur so, dass ich dir etwas zu sagen habe.“
Sie zog eine Augenbraue hoch und wartete ab. Inzwischen machte sie auf ihn einen gelangweilten, aber nach wie vor skeptischen Eindruck. Was will dieser Trottel wohl jetzt noch von mir? fragte sie sich vermutlich.
Hutch fuhr sich durchs Haar. Seinen Hut hatte er zwar im Wagen gelassen, aber davon abgesehen trug er seine übliche Arbeitskleidung. Die Whisper-Creek-Ranch lief mittlerweile fast wie von selbst, weil genug Personal vorhanden war und er die Arbeitsabläufe bestens organisiert hatte. Dennoch verspürte er nach wie vor den Drang, jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang aufzustehen und sich darum zu kümmern, das Vieh zusammenzutreiben, Zäune zu reparieren und tausend andere Dinge zu tun.
Heute dagegen war er einfach nicht in der Lage gewesen, sich auf diese Routinetätigkeiten zu konzentrieren, was ihn völlig durcheinandergebracht hatte. Seine Gedanken kreisten immer nur um Kendra, wie so oft seit der geplatzten Hochzeit.
„Ich kann nicht behaupten, dass mir leidtut, was ich gemacht habe“, erklärte er geradeheraus. „Wenn wir diese Zeremonie
Weitere Kostenlose Bücher