Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
hatte: Sie konnte es lediglich mieten, und damit war es keine dauerhafte Unterkunft. Kendra hatte Maggie gefragt, ob sie ihr das Haus nicht verkaufen könnte, doch sie verband zu viele Kindheitserinnerungen damit, und wenn sie sich von dem Haus trennte, dann hätte sie das Gefühl, ihre eigene Vergangenheit zu verkaufen.
„Das ist mein Zimmer!“, verkündete Madison fröhlich und sah sich um. Es gab eine Sitzbank am Fenster und in die Wände integrierte Regale, der glänzende Holzfußboden hatte im Lauf der Jahrzehnte eine Patina angesetzt, die dem Haus etwas Behagliches verlieh. Die Falttüren der Wandschränke waren mit Jalousien versehen, die Deckenlampe war klein, aber kunstvoll verziert.
Daisy bellte einmal kurz, als wollte sie Madisons Erklärung unterstreichen, was Kendra mit einem Lacher kommentierte. Dann sagte sie zu beiden: „Einverstanden, das wird euer Zimmer.“
„Kriege ich auch ein Bett?“, wollte Madison daraufhin wissen.
„Natürlich“, erwiderte sie. „Wir werden zum Möbelladen drüben in Three Trees fahren, und dann kannst du dir dein Bett aussuchen.“
Three Trees hatte noch ein paar Tausend Einwohner weniger als Parable, aber dort gab es ein riesiges Outlet-Center, das Kunden aus allen Ecken von Montana anlockte. Zudem fand man dort ein Kino und eine große, gut sortierte Buchhandlung, und die Main Street war zu beiden Seiten von Geschäften gesäumt.
„Können wir das jetzt gleich machen?“, drängte Madison.
„Von mir aus gern“, antwortete Kendra, aber dann fiel ihr Blick auf Daisy. Eine Einkaufstour und eine kleine Hündin - die beiden Dinge passten nicht zusammen.
Madisons Frage betraf genau dieses Thema und war unvermeidbar gewesen. „Kann Daisy mitkommen?“
Betrübt schüttelte Kendra den Kopf. „Das wird nicht funktionieren, Süße. Aber sie ist in der Zwischenzeit in unserem Gästehaus gut aufgehoben.“
Einen Moment lang dachte Madison darüber nach, dann hellte sich ihre Miene auf. „Okay“, sagte sie. „Daisy ist bestimmt müde, weil sie den ganzen Tag mit Lucy gespielt hat. Wenn wir weg sind, kann sie schlafen.“
„Gute Idee“, fand Kendra und hielt ihrer Tochter eine Hand hin. „Dann komm, wir wollen gehen.“
Daisy entpuppte sich als bemerkenswert kooperativ, als sie zurück in ihrem Cottage waren. Sie trank die Wasserschale zur Hälfte aus, knabberte ein paar Leckerchen und machte dann eine Runde durch den Garten, um ihr Geschäft zu erledigen. Danach legte sie sich in ihr bequemes Körbchen in der Küche, gähnte einmal von Herzen und schlief dann ein.
Kendras Kehle war wie zugeschnürt, als sie zusah, wie sich Madison neben der Hündin hinkauerte, ihr über den Kopf streichelte und ihr zuflüsterte: „Du musst keine Angst haben, okay? Mommy und ich sind wieder da, bevor es dunkel wird.“
Zum x-ten Mal fragte sich Kendra, wie Madison ihr Leben bei einer Pflegefamilie nach der anderen empfunden haben musste. Hatte sie sich gut aufgehoben und geliebt gefühlt? Den Sozialarbeitern zufolge war Madison außerordentlich gut versorgt worden. Die meisten Pflegeeltern waren anständige Menschen, die großzügig genug waren, in ihrem Haus und in ihrem Herzen einen Platz für ein Kind in Not bereitzustellen.
Dennoch war Madison von einem provisorischen Zuhause zum nächsten weitergereicht worden. So viele Veränderungen in so kurzer Zeit mussten bei einem so jungen Menschen irgendwelche Spuren hinterlassen. Darüber musste Kendra immer noch nachdenken, als sie die Kleine in den Kindersitz hob und den Sicherheitsgurt anlegte. Als sie selbst auch eingestiegen war und den Motor angelassen hatte, sagte sie leise: „Ich gehe nicht weg, weißt du?“ Sie versuchte, ihre Worte unbeschwert klingen zu lassen.
Als sie auf die Rodeo Road einbog, sah sie weder aus dem Augenwinkel noch im Rückspiegel nach dem riesigen Herrenhaus. Es hätte genauso gut unsichtbar sein können. Vielleicht stimmte es ja, was manche Wissenschaftler behaupteten, dass viele Dinge eigentlich gar nicht existierten, sondern erst Gestalt annahmen, wenn jemand hinsah.
„Du gehst nicht weg, aber du fährst weg“, erwiderte Madison, nachdem sie eine Weile über die Worte nachgedacht hatte. „Du fährst nämlich nach Three Trees, damit wir ein Bett kaufen können!“
Kendra lachte, zwinkerte ein paar Mal, um gegen die Tränen anzukämpfen, dann galt ihre ganze Konzentration wieder der Straße.
„Das habe ich damit aber nicht gemeint, du Dummerchen.“
„Meine erste Mommy ist
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