Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
die sie gehabt haben mochte, verflüchtigten sich in dem Moment, als sie das zurückhaltende, reizende kleine Mädchen zum ersten Mal sah.
Diese erste Begegnung lief in dem schäbigen Büro einer Sozialarbeiterin in einer kalifornischen Wüstenstadt ab, und für Kendra war es Liebe auf den ersten Blick.
Eine Liebe, von der sie wusste, dass sie für immer andauern würde.
Ein monatelanges juristisches Tauziehen folgte, doch irgendwann waren Kendra und Madison dann endlich offiziell Mutter und Tochter. Sie liebte dieses Kind genauso sehr, als wäre sie selbst mit ihm schwanger gewesen.
Callie holte sie aus ihren Gedanken, da sie nach der Teekanne in der Tischmitte griff, um sich und Kendra nachzuschenken.
„Was meint ihr, ist die Hochzeit schon vorbei?“ Kendra bereute ihre Frage im gleichen Moment, in dem sie sie gestellt hatte.
Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen schaute Callie zur Wanduhr. „Wahrscheinlich ja“, antwortete sie und drückte leicht Kendras Hand.
Plötzlich regte sich Madison auf der gepolsterten Sitzbank. „Mommy?“
„Ich bin hier, Honey“, sagte Kendra und drehte sich zu ihr um.
Obwohl Madison sich erfreulich schnell an die neue Lebenssituation gewöhnt hatte, wurde sie in Abständen dennoch von Albträumen geplagt. Außerdem neigte sie dazu, leicht in Panik zu geraten, wenn sie ihre Adoptivmutter für einen Moment aus den Augen verlor.
„Hast du Hunger, Kleine?“, fragte Callie sie. Slades Mom würde eine wundervolle Großmutter abgeben; sie hatte so eine entspannte und offene Art mit Kindern.
Madison schüttelte den Kopf, sprang von der Bank und kam zu Kendra, um auf ihren Schoß zu klettern.
„Das Mittagessen ist ja schon eine Weile her.“ Kendra gab ihr einen Kuss auf den Scheitel und drückte sie an sich. „Möchtest du ein Glas Milch und einen von Opals Rosinenkeksen?“
Wieder schüttelte Madison den Kopf und kuschelte sich enger an sie. „Nein, danke“, sagte sie und klang wie so oft eher wie eine kleine Erwachsene, allerdings nicht wie eine Vierjährige.
Kendra war mit der Kleinen am Abend zuvor auf der Ranch angekommen. Die Nacht hatten sie auf Joslyns Beharren hin im Gästezimmer der Barlows verbracht.
Das alte Haus, das das Herzstück der Windfall-Ranch bildete, wurde momentan umfassend renoviert, was den herrschenden Trubel nur noch umso größer machte, da sich alle möglichen Leute im Haus aufhielten. Madison begegnete ihnen allen mit Skepsis, ausgenommen der Haushälterin Opal.
Plötzlich regte sich Jasper, der Hund von Slade und Joslyn, der bislang auf seinem Kissen vor dem neuen Kamin in der Küche gelegen hatte. Er hob den Kopf und setzte zu einem leisen fragenden Winseln an, wobei er seine Schlappohren spitzte. Joslyns Katze Lucy-Maude dagegen zeigte keinerlei Regung.
Madison musterte den Hund interessiert, unschlüssig, ob sie sich mit ihm anfreunden oder ihn besser in Ruhe lassen sollte.
„Tja, sie sind auf jeden Fall ziemlich früh zurück“, stellte Callie fest, nachdem sie aufgestanden war und vom Fenster über der Spüle nach draußen geschaut hatte. „Dann werden sie wohl den Empfang ausgelassen haben.“
Laut bellend eilte Jasper zur Tür, was ihm schon vor Langem von Joslyn die Bezeichnung „Ein-Hund-Empfangskomitee“ eingebracht hatte. Amüsiert öffnete Callie die Hintertür, und der Hund schoss wie eine Fellrakete nach draußen, um diejenigen ausgelassen zu begrüßen, die sich dem Ranchhaus näherten.
Diese Freude wurde von der älteren Frau nicht geteilt, denn sie drehte sich vom Fenster weg und sah Kendra irritiert an. „Sehr eigenartig“, murmelte sie. „Ich hoffe, mit Joslyn ist alles in Ordnung.“
Slades Stieftochter Shea, gerade erst siebzehn geworden, rannte ins Haus und berichtete Callie außer Atem: „Das wirst du nicht glauben, Grands! Die Musik hat gespielt, die Brautjungfern standen da, der Pfarrer war bereit, und weißt du, was dann passiert ist?“
Kendra hatte das Gefühl, als hätte ihr Herz aufgehört zu schlagen, aber sie brachte keinen Ton heraus. Alle möglichen Katastrophen gingen ihr durch den Kopf - ein Gast, der einen Herzschlag erlitt, ein Lastwagen, der von der Straße abkam und in die Kirche raste, ein Blitz, der das Kirchendach in Brand setzte und den Bräutigam auf der Stelle tot umfallen ließ.
Sie verdrängte all diese maßlos übertriebenen Horrorszenarien und wartete gebannt darauf, dass Shea fortfuhr.
„Was denn?“ Callie schaute das Mädchen fragend an. Sie und Shea standen
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