Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
durchs Haar, dann setzte er seinen Hut auf. „Ich verspreche dir, Opal, wenn die Glocke zum Essen läutet, stehe ich wieder hier in der Küche.“
Opal schnaubte, auch wenn sie es erkennbar nicht so meinte. Sie winkte Slade hinterher und widmete sich dann wieder dem Abendessen.
„Du kannst ruhig bleiben und warten, bis Hutch hier auftaucht“, fuhr Joslyn fort, als hätte es die kleine Unterbrechung nicht gegeben. „Du weißt, Parable ist eine Kleinstadt, und früher oder später werdet ihr euch sowieso über den Weg laufen. Dann kannst du das auch gleich heute erledigen.“
Wäre Joslyn keine so gute Freundin gewesen, hätte Kendra auf das Funkeln in ihren Augen wütend reagiert. Aber so wie alle glücklich Verheirateten wollte auch Joslyn, dass jeder in ihrem Bekanntenkreis schnellstens unter die Haube kam. Sie musste an Brylee Parrish denken und stellte fest, dass die Frau ihr leidtat. Hutch Carmody zu lieben, das war so, als würde man den Ärger gezielt suchen. Davon konnte Kendra ein Lied singen. Natürlich hätte Brylee jetzt genauso wenig zugehört wie sie selbst vor ein paar Jahren, als alle ihre Freundinnen sie vor einer übereilten Ehe mit Jeffrey gewarnt hatten.
„Madison muss sich an ihr neues Zuhause gewöhnen“, erwiderte Kendra. „Ich muss noch einkaufen, und ich habe mich schon so lange nicht mehr ums Geschäft gekümmert.“
„Das Geschäft läuft bestens“, versicherte Joslyn ihr, „und Madison kann sich später immer noch an ihr neues Zuhause gewöhnen.“
Wie auf Kommando drang ein fröhliches Lachen aus dem Nebenzimmer zu ihnen, was die Kleine viel zu selten tat und das Kendra die Tränen in die Augen steigen ließ. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, gestand sie sehr leise. „Ich meine, wenn ich Hutch so schnell wiedersehe, ich … ich war davon ausgegangen, dass ich mich erst mal einlebe und …“
Joslyn griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. „Du schaffst das“, beteuerte sie. „Glaub an dich, Kendra. Zwischen dir und Hutch wird nichts passieren, wenn du es nicht willst.“
„Genau das ist ja das Problem“, erwiderte sie mutlos. „Ich habe jetzt eine Tochter. Ich möchte, dass sie in Parable aufwächst, dass sie die gleichen Schulen besucht wie ich damals. Ich will ihr ein Gefühl von Sicherheit geben, das Gefühl, hier zu Hause zu sein. Ich kann mir nichts Dümmeres vorstellen, als wieder was mit Hutch anzufangen.“
„Wirklich nicht?“, fragte Joslyn und zog eine Augenbraue hoch, da die Antwort auf ihre Frage eine Weile auf sich warten ließ.
„Natürlich nicht“, beharrte Kendra im Flüsterton. „Der Mann hat mir das Herz gebrochen, oder hast du das schon vergessen? Und jetzt hat er eine andere Frau vor dem Altar stehen lassen. Das zeigt doch, dass er sich kein bisschen geändert hat!“
„Ist dir eigentlich schon mal der Gedanke gekommen“, fragte Joslyn unbeeindruckt, „dass Hutch die liebe Brylee am Altar hat sitzen lassen, weil nicht du diejenige warst, die da in der Kirche stand?“
„Nein“, entgegnete Kendra nachdrücklich, wobei ihr bei der bloßen Vorstellung ein Schauer über den Rücken lief. „Der Gedanke ist mir nicht gekommen. Er hat es nämlich getan, weil er sich an nichts und niemanden langfristig binden kann und weil es für ihn auf dieser Welt nicht Wichtigeres gibt als seine Whisper-Creek-Ranch. Außerdem ist er ein herzloser Mistkerl, der jedem Rock nachjagt.“
Ehe Joslyn darauf etwas erwiderten konnte, tauchten Madison, Shea, Callie und der Hund in der Küche auf, womit jede weitere Diskussion über Hutch Carmody unmöglich wurde.
Doch Kendra war immer noch nervös. Ihr Herz raste, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Hatte sie sich irgendetwas eingefangen? All ihre Instinkte trieben sie förmlich dazu an, von hier zu verschwinden, solange noch Zeit war, allerdings erschien ihr der Gedanke an sich schon feige. Und außerdem fühlte Madison sich allmählich dazugehörig.
Jetzt übereilt in die Stadt zu fahren würde die Kleine nur noch mehr durcheinanderbringen.
Also beschloss Kendra zu bleiben, zumindest bis nach dem Essen. Sie war eine erwachsene Frau und Mutter. Joslyn hatte völlig recht, es war an der Zeit, dass sie begann, sich selbst zu vertrauen. Früher war es ihr nicht gelungen, sich Hutchs Anziehungskraft zu entziehen, aber inzwischen war sie älter und weiser, und sie hatte sich viel besser unter Kontrolle.
Die folgende Stunde verging wie im Flug mit den Vorbereitungen fürs Essen, Tisch decken und
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