Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
sie völlig unfair.
„Wohin?“, fragte er, als Coco ihr Tempo an Remington angepasst und ihn eingeholt hatte.
„Egal, nur nicht nach da oben zur Bergwiese“, antwortete Kendra und wäre am liebsten sofort im Erdboden versunken. Was für eine grandiose freudsche Fehlleistung! Hutch hatte ihr geheimes Liebesnest mit keinem Wort erwähnt, aber sie musste damit natürlich rausplatzen!
Ihre zerknirschte Miene entlockte ihm ein leises Lachen. „Sag mal, Kendra. Vor wem hast du eigentlich mehr Angst: vor mir oder vor dir selbst?“
„Sei nicht albern“, protestierte sie sofort. „Es geht nur darum, dass ich lange nicht mehr geritten bin, und die Bergwiese ist ziemlich hoch gelegen. Deshalb …“
„Ganz langsam“, mahnte er in beschwichtigendem Tonfall. Meinte er sie oder sein Pferd?
Sie hoffte für ihn, dass es um das Pferd ging.
Doch dann wurde ihr klar, er hatte damit sie angesprochen. „Kendra“, fuhr er fort. „Ich habe nicht vor, über dich herzufallen, sobald uns keiner mehr sehen kann. Wir sind zwei alte Freunde, die zusammen ausreiten. Mehr steckt nicht dahinter.“
Für dich vielleicht nicht, dachte Kendra missmutig. Die Antwort auf seine vorangegangene Frage schwirrte ihr noch immer im Kopf herum. Sie hatte tatsächlich Angst. Allerdings vor sich, nicht vor ihm. Sie hatte Angst vor ihrem Verlangen und davor, wie ihr Verstand jedes Mal aussetzte, sobald Hutch sie nur ansah. Dabei ließ er seinen Charme nicht einmal absichtlich spielen. Doch das war egal, der Schaden war angerichtet.
Ob er es nun wusste oder nicht - wobei es naiv wäre zu glauben, dass er keine Ahnung hatte -, Hutch war von dem Moment an, als sie mit Madison auf die Ranch gekommen war, darauf aus gewesen, sie zu verführen. Das sollte ihm auch nicht schwerfallen. Indem er die Rolle der einen Person spielte, die Madison so gern in ihrem Leben gehabt hätte, die eines Daddys, weichte er Kendras Widerstand Stück für Stück auf.
Eine Weile ritten sie schweigend weiter, wobei sie die Pferde den Weg bestimmen ließen. Zumindest hatte Kendra diesen Eindruck, als beide an einem Bach anhielten, die großen Köpfe senkten und ihren Durst stillten.
In der Zwischenzeit war Hutch ernster geworden, und obwohl er sich die ganze Zeit über gleich neben ihr befand, kam es ihr so vor, dass er sich im Geiste an einem weit entfernten Ort aufhielt. Auf dem Wasser des leise gurgelnden Bachs spiegelte sich tanzend der Sonnenschein.
„Warum bist du hergekommen, Kendra?“, fragte er schließlich und kniff gegen die grelle Nachmittagssonne die Augen zusammen.
„Auf deine Ranch?“
„Nach Parable.“
Sofort versteifte sie sich und erwiderte verhalten: „Weil das hier mein Zuhause ist. Und weil ich Madison an einem Ort großziehen will, wo die Leute sich kennen und sich einer um den anderen kümmert.“
Hutch saß ab und stellte sich neben Remington, dabei ließ er Kendra nicht aus den Augen. „Und du warst hier als Kind so glücklich, dass du Madison zuliebe zurückgekommen bist?“ Da er alles über ihre Kindheit bei ihrer Großmutter wusste, konnte er sich diese leicht spitze Bemerkung nicht verkneifen.
„Nicht immer“, räumte sie zurückhaltend ein. Sie war versucht, ebenfalls abzusitzen, damit sie Hutch gegenübertreten und mit ihm diskutieren konnte. Aber dann hätte sie anschließend wieder in den Sattel steigen müssen, und sie war sich nicht sicher, ob ihre Beine das mitgemacht hätten. „Niemand ist immer glücklich.“
Er reagierte mit einem rauen Lachen und betrachtete die gekräuselte Oberfläche des Bachs, der murmelnd und wispernd an ihnen vorbeizog - was ihm und der Ranch ihre Namen gegeben hatte: Whisper Creek. Flüsternder Bach.
„Da ist was Wahres dran“, stimmte er ihr zu.
Während er redete, rutschte sie im Sattel hin und her. Sie wusste, spätestens morgen würde ihr alles wehtun, da sie es nicht mehr gewohnt war zu reiten.
Aber besser, ihr taten irgendwelche Körperpartien weh, die sich mit einem heißen Bad lindern ließen, als dass ihr Herz schmerzte.
„Das mit dem Pony ist gelogen“, sagte Hutch aus heiterem Himmel. Dabei hob er einen flachen Kieselstein auf und schleuderte ihn so von sich, dass er ein paar Mal auf dem Wasser hüpfte, ehe er unterging.
Kendra saß auf ihrem Pferd und zog ratlos die Brauen zusammen. Alles an diesem Mann verwirrte sie, was er auch tat oder sagte. „Was?“, fragte sie schließlich.
„Ich habe Ruffles nicht ausgeliehen“, erklärte er und schaute ihr in die Augen.
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