Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
„Ich habe das Pony gekauft. Die Kinder, für die es mal gedacht war, sind inzwischen groß und längst aus dem Haus. Es war bei der Familie völlig einsam und allein.“
Seine Worte rührten Kendra an, und sie entspannte sich ein wenig. „Und warum hast du das nicht sofort gesagt?“
„Weil ich mir überlegt habe“, er räusperte sich, „dass du glauben würdest, ich wollte mich über Madison an dich heranmachen.“
Ihre etwas rücksichtslosere Seite drängte sich in den Vordergrund und ließ sie nachhaken: „Und stimmt das? Hast du versucht, über meine Tochter an mich heranzukommen?“ Sie bemerkte, wie er einen Moment lang die Lippen zusammenpresste.
„Wie kannst du mir so etwas nur unterstellen?“, stieß er wütend hervor, was sie wiederum erstaunlich fand, hatte er doch das Thema erst zur Sprache gebracht.
„Ich habe nur wiederholt, was du gesagt hast“, erwiderte sie.
Sie kam nicht dazu, noch mehr zu sagen, weil Hutch sie in diesem Augenblick um die Hüften packte, sie mühelos aus dem Sattel hob und einen Moment eng an sich drückte, bevor er sie zu Boden ließ.
„Wenn ich mich an dich heranmachen will, Kendra“, ließ er sie wissen, „dann kann ich das auch, ohne dafür ein unschuldiges Kind oder sonst jemanden vorschieben zu müssen.“
Völlig verwirrt und atemlos schaute sie ihn an. Es gelang ihr nicht, einen klaren Gedanken zu fassen.
In diesem Moment küsste er sie. Nicht zart und zurückhaltend, sondern mit all dem Verlangen, das ein Mann für eine Frau empfinden konnte.
Ihr erschien es, als würde ihr ganzer Körper in Flammen stehen. Als hätten sie einen eigenen Willen, legten sich ihre Arme um seinen Nacken und verschränkten sich. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab sich ohne Vorbehalte diesem Kuss hin.
Wie durch einen Nebel tauchte der Gedanke auf, dass damit ihre schlimmsten Befürchtungen wahr wurden - und ihr geheimster Traum.
Nach einigen Sekunden rückte Hutch von ihr ab. Er atmete heftig aus und fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar. „Verdammt“, fluchte er.
Kendra, die eben noch in seinen Armen dahingeschmolzen war, erstarrte augenblicklich zu Eis. „Komm ja nicht auf die Idee, mir dafür die Schuld zu geben, Hutch“, fauchte sie ihn aufgebracht an. „ Du hast damit angefangen.“
Er erwiderte nichts, er sah sie nicht mal an. Und dann drehte er sich auch noch weg, bis er ihr nur noch den Rücken zuwandte. „Tut mir leid“, murmelte er nach einer Weile.
Es tat ihm leid? Mit seinem Kuss hatte er ihre Welt aus den Angeln gehoben und auf den Kopf gestellt. Und ihm tat es leid?
„So viel zum Thema, dass zwei alte Freunde einfach ein bisschen durch die Gegend reiten“, hörte sie sich sagen. Demütigung und Wut spornten sie dazu an, wieder in ihren Sattel zu steigen, ohne dass Hutch Carmody ihr dabei helfen musste.
Er drehte sich wieder zu ihr um und schaute sie finster an. „Mach das nicht“, warnte er sie. „Tu es nicht mit Ironie ab, Kendra. Hier ist gerade eben was passiert, etwas Wichtiges.“
„Ja“, erwiderte sie. Dass er neben ihrem Pferd stand und sie selbst im Sattel saß, vermittelte ihr ein völlig falsches Gefühl für die Machtverhältnisse, das sie wenigstens für den Augenblick genoss. „Du hast mich geküsst , schon vergessen?“
„Davon rede ich nicht“, erklärte er.
„Wovon redest du dann?“
„Davon, dass das zwischen uns noch nicht vorüber ist“, antwortete er. „Davon rede ich.“
„Tja, da irrst du dich aber“, konterte sie und spürte, wie Wut in ihr hochzukochen begann. „Zwischen uns ist alles vorüber, und zwar komplett. Und das schon seit Jahren, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte.“
„Dein Kuss sagt aber etwas ganz anderes.“ Er stieg auch wieder auf und lenkte seinen Wallach einmal halb im Kreis, sodass er Kendra ins Gesicht sehen konnte.
„Das war dein Kuss. Du hast mich geküsst“, beharrte sie fast panisch.
„Damit hast du verdammt recht. Doch du hast den Kuss erwidert. Wären wir nicht hier unten auf dem flachen Land, sondern oben auf der Wiese, wo uns niemand beobachten kann, dann würden wir uns jetzt wieder so lieben wie damals, genauso hitzig und leidenschaftlich.“
„Dein Ego ist so riesig, dass selbst das Universum dagegen winzig wirkt“, warf sie ihm an den Kopf. „Ich bin keine von diesen Frauen, die du kriegen kannst, wann immer du sie haben willst.“
Er lachte, allerdings klang es verkrampft … wie eine Herausforderung … oder ein Versprechen.
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