Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
für das Tier geworden waren und die kleine Stute sich in den letzten Jahren sehr einsam gefühlt hatte, wie ihm von Paula Hendrix berichtet worden war.
Darauf bedacht, ihr nahe zu sein, aber nicht zu nahe zu kommen, stellte er sich zu Kendra.
Ihr standen vor Glück Tränen in den Augen, und sie strahlte regelrecht mütterlichen Stolz aus. „Sie ist völlig begeistert“, flüsterte sie so leise, dass er sich nicht sicher sein konnte, ob sie mit ihm sprach oder Selbstgespräche führte.
„Madison ist ein Naturtalent“, stimmte er ihr nur unwesentlich lauter zu. „Eine geborene Reiterin.“
„Du hast dir viel Mühe gegeben“, redete Kendra weiter, sah ihn aber immer noch nicht an. „Dass du extra ein Pony ausgeliehen hast, meine ich.“
Sie freute sich, das merkte er ihr an, doch zugleich wirkte sie angespannt, so als sei sie auf dem Sprung, um zu ihrem Baby zu eilen, sobald irgendeine Gefahr drohte.
Aber er spürte auch noch eine andere Anspannung, die nichts mit Madison oder dem Pferd zu tun hatte.
Es war, als bohrte sich eine Nadel in sein Herz. Wäre alles anders gekommen, dann wäre Madison ihr gemeinsames Kind, dann wäre sie eine Carmody, aber keine Shepherd oder Chamberlain oder wie ihr Nachname auch lauten mochte. Dann wäre es für sie kein seltener, aufregender Ausflug, um einmal auf einem Pferd sitzen zu dürfen, sondern es wäre für sie etwas Natürliches - so wie für jedes Kind, das auf einer Ranch aufwuchs.
Aber wie so oft im Leben war es anders gekommen. Die Dinge liefen nicht immer so, wie man es wollte. Leute kamen von ihrem ursprünglichen Weg ab, weil sie etwas sagten oder taten - oder es nicht sagten oder nicht taten - und schon war das Leben verkorkst.
„Und? Bist du bereit zum Ausreiten?“, fragte er, um die Unterhaltung wieder in Gang zu bringen.
„Ich bin seit Jahren nicht mehr geritten“, gestand Kendra ihm. „Nicht mehr seit …“
Sie unterbrach sich mit hochrotem Kopf und verfiel in betretenes Schweigen.
Es gab keinen Zweifel daran, dass sie sich genauso wie er daran erinnerte, was damals so oft passiert war, wenn sie gemeinsam ausgeritten waren.
„Das ist wie Fahrradfahren“, sagte er und tat so, als hätte er ihre Verlegenheit nicht bemerkt. „Wenn du einmal gelernt hast, wie man auf einem Pferd sitzt, dann vergisst du das nie wieder.“
Ihr Blick blieb auf Madison gerichtet, die jetzt mit strahlender Miene auf sie zugeritten kam. Daisy hielt mit Ruffles mit, während Leviticus im Schatten des Stalls blieb und das Treiben aus einigermaßen sicherem Abstand verfolgte. Die vier gaben zusammen ein Bild ab, das als Foto eine Western-Grußkarte hätte schmücken können.
Als Kendra schließlich wieder etwas sagte, überraschte sie ihn ein wenig. „Wie können wir das überwinden, Hutch?“, fragte sie verhalten.
„Was meinst du damit?“, gab er zurück.
Flüchtig zuckte sie mit den Schultern. „Dieses Umeinander-herum-Tänzeln oder wie man es nennen soll.“ Ihre Stimme zitterte ganz leicht. Sie machte eine Pause und schüttelte den Kopf, als würde sie versuchen, sich von allen störenden Gedanken zu befreien. „Ich kann nicht so tun, als wäre zwischen uns nichts gewesen“, erklärte sie, während Madison immer näher kam. „Genau das versuche ich zwar die ganze Zeit, aber es macht mich wahnsinnig.“
Hutch lachte leise: „Na, wenn das so ist, warum hörst du dann nicht einfach auf, es zu versuchen. Es ist nun mal, wie es ist. Wir haben da kein großes Mitspracherecht mehr.“
Seufzend beobachtete sie weiter Madison, doch sie wirkte mit einem Mal nicht mehr ganz so nervös. „Ja, du hast recht“, sagte sie. „So sehr wir uns auch wünschen, wir könnten die Vergangenheit ändern, es geht nun mal nicht.“
Zu gern hätte er von ihr gewusst, was genau sie geändert hätte, wenn es ihr möglich gewesen wäre, doch in diesem Augenblick kam Opal in ihrem Kombi auf den Hof gefahren.
„Guck mal!“, rief Madison, als Opal ausgestiegen war. „Ich reite auf einem Pferd.“
„Das ist nicht zu übersehen“, meinte Opal lächelnd, dann sah sie zu Hutch und Kendra sowie zu den beiden anderen gesattelten Pferden, die offenbar noch nicht von der Stelle bewegt worden waren. „Bist du denn jetzt genug geritten?“, fragte sie das Mädchen. „Ich muss mich nämlich ums Abendessen kümmern, und da kann ich Hilfe gut gebrauchen.“
Vermutlich wäre Madison noch tagelang im Sattel geblieben, wenn es niemanden gestört hätte, aber sie besaß eine
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