Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
Koffein ihre überstrapazierten Nerven zu beruhigen, anstatt sie noch aufgedrehter werden zu lassen. Dankbar nahm sie zur Kenntnis, dass wenigstens der Kaffee auf ihrer Seite war.
„Wann kaufen wir meine Stiefel?“, meldete sich Madison zu Wort.
„Heißt das, du willst wieder reiten gehen?“, fragte Kendra lachend.
Madison nickte nachdrücklich und knetete weiter den Teig in der großen Schüssel, die vor ihr stand. „Ich will gaaanz weit reiten“, verkündete sie. „Nicht nur immer im Kreis auf dem Hof, so wie ein kleines Kind.“
„Du bist ja auch noch ein kleines Kind“, stellte Kendra amüsiert fest.
„Ich glaube, der Teig kann jetzt ausgerollt und geschnitten werden“, warf Opal ein. Sie zog Madisons Hände aus der Schüssel, wischte sie mit einem feuchten Lappen ab und hob das Mädchen von dem Stuhl.
„Ich kann dir dabei helfen“, bot sich Madison an.
„Davon bin ich überzeugt“, stimmte Opal ihr zu.
Die Frau hatte wirklich eine Engelsgeduld. Kendra lächelte sie an und sagte lautlos: „Danke.“
„Aber erst muss ich noch Ruffles Gute Nacht sagen“, meinte die Kleine.
„Das kannst du nach dem Essen machen“, wandte Kendra ein.
Hutch betrat auf Strümpfen die Küche, da er seine schmutzigen Stiefel auf der Veranda gelassen hatte. Seine Haare waren zerzaust, an seiner Kleidung hing hier und da ein wenig Stroh. Während er die Ärmel hochkrempelte, musste Kendra erstaunt feststellen, wie verdammt gut er doch aussah, obwohl er geradewegs aus der Scheune hergekommen war.
Er nickte Opal und Kendra zu, dann zwinkerte er Madison zu und begann, mit dem Ellbogen den Heißwasserhahn an der Spüle aufzudrehen. Zweimal seifte er sich die Hände und Unterarme mit der intensiv riechenden orangefarbenen Seife ein.
Wenn man ihn so beobachtete, wie er vornübergebeugt dastand und seine Hände wusch, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass er vor nicht einmal einer Stunde Kendra so geküsst hatte, wie sie noch nie geküsst worden war - nein, nicht mal von ihm. Und dass er innerhalb von ein paar Herzschlägen ihre ganze Welt in einen wundervollen Aufruhr versetzt hatte. Er hatte sie mit seinem Kuss überfallen, und sie war nicht nur damit einverstanden gewesen, sondern sie hatte diesen Kuss auch noch erwidert.
Seiner Meinung nach war es unvermeidlich, dass sie sich wieder lieben würden. Und um es zu beweisen, hatte er sie herausgefordert, auf diesen verdammten Berg zu reiten, hin zu dieser verfluchten und zugleich verzauberten Bergwiese. Dorthin, wo Himmel und Erde sich zu berühren schienen und wo sich damals ihre Körper wieder und wieder berührt hatten.
Hör schon auf damit, ermahnte sie sich stumm.
„Ich hab die Biskuits gemacht“, sagte Madison zu Hutch, als der sich von der Spüle wegdrehte und sich die Hände abtrocknete. „Na ja, ich hab geholfen.“
Opal kam lachend mit einem Teigroller und einem Biskuitschneider zu ihr. „Kletter wieder auf deinen Stuhl, junge Lady, dann werde ich dir zeigen, was du als Nächstes machen kannst.“
Hastig kehrte die Kleine auf ihren Stuhl zurück. Opal wischte ihr noch einmal die Hände ab, dann fingen sie gemeinsam an, den Teig auszurollen. Als er dünn genug war, zogen sie mit dem Schneider Kreise durch die Masse und legten die ausgeschnittenen Teile auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech.
Als Hutch an ihnen vorbeiging und nach dem Griff der Backofentür greifen wollte, rief Opal energisch: „Lass den Ofen zu! Sonst entweicht die ganze gute heiße Luft!“
Einen Moment lang schaute Hutch drein wie ein neugieriger kleiner Junge. „Was immer darin schmort, es riecht auf jeden Fall köstlich.“
„Das ist meine Tamale-Pastete“, gab sie schroff zurück. „Und ich wäre dir dankbar, wenn du deine Finger davon lässt, bis wir am Tisch sitzen und dem Herrn für das Mahl gedankt haben.“
Hutch hob kapitulierend die Hände. „Jawohl, Ma‘am. Ich werde mich hüten, das Abendessen anzufassen.“
„Merk dir das auch gleich für die Zukunft“, schickte Opal ihm hinterher, immer darauf bedacht, das letzte Wort zu haben.
Es war eigentlich eine ganz banale Unterhaltung, doch Kendra genoss diesen foppenden Umgang miteinander, dieses Geplänkel zwischen Menschen, die so füreinander da waren, als wären sie eng miteinander verwandt. Als sie noch jünger war, war jedes Essen ein Kampf gewesen. Falls ihre Großmutter sich mal dazu herabließ, etwas für sie zu kochen, hatte sie mit den Pfannen und Töpfen gescheppert und ihr das Essen
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