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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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dasselbe, Bradley. Sie ist eine von ihnen. Glauben Sie, sie würde auch nur eine Minute zögern, Tokio in die Luft zu sprengen und Millionen zu ermorden?“
    „Ist sie deswegen mit dem Shuttle unterwegs?“
    „Nach dem Abflug sagte sie der Flugüberwachung, sie wolle sich den Jupiter ansehen. Das würde ihr helfen, das Puzzle zu lösen. Was sagen Sie dazu?“
    „Das ist unser Auftrag, Tom.“
    „Ich will, daß sie sofort zurückgeholt wird. Ich will, daß sie nicht bloß unter Arrest, sondern unter Quarantäne gestellt wird. Ich habe mit den anderen gesprochen. Wir sind alle einer Meinung.“
    Zorn war ein Gefühl, das Bradley nur noch selten empfand. Das Alter oder die Meditationen hatten sein System davon gereinigt. Er vermißte es. Handle, ohne zu denken. Tu es jetzt, sann er. Das mythische Ideal. Das Bogenschießen des Zen: Spalte das Ziel. Zorn war auf eine Weise reinigend, wie Trauer, Liebe oder Freude es niemals sein konnten.
    „Jetzt hören Sie mal zu, Rawlins. Dies ist keine Militärgarnison. Ich bin nicht der Hauptmann der Wache. Ich bin ein Verwaltungsbeamter, frei gewählt und ausgesucht und niemandem unterstellt. Ich kann nur unmittelbar meines Amtes enthoben werden. Niemand sagt mir, was ich zu tun habe. Nicht Sie, nicht Mara und nicht die übrigen.“
    „Aber sie ist nicht einmal ein Mensch!“
    „Doch, das ist sie. Ich glaube sogar, daß dies ihr eigentliches Problem ist. Sie ist nur allzu menschlich: arrogant, verantwortungslos und selbstsüchtig. Sie tut, was Sie alle tun würden, wenn Sie nur einen Bruchteil ihres Selbstvertrauens besäßen. Ich mag Mara nicht – ich mag nicht, was sie ist. Aber nennen Sie es menschlich. Sie ist es.“
    Rawlins stand auf, und seine Beine entwirrten sich. Er sprach vorsichtig und offenbar überrascht. „Ist das Ihr Ernst, Bradley?“
    „Ja.“
    „Und wenn sie Tokio in die Luft jagen?“
    „Das hat mit dem Orb nichts zu tun.“
    „Das ist Ihr Ende. Wissen Sie das?“
    „Tom, scheren Sie sich raus.“
    Bradley gab Tom Rawlins noch drei Minuten, nachdem er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, und erhob sich dann von seinem Schreibtisch. Er warf einen prüfenden Blick durch den Korridor, bevor er ging. Als er die Flugüberwachung betrat, fand er Leigh Duffy, eine Biophysikerin, die gerade Dienst hatte.
    „Können Sie Tsubatas Shuttle erreichen?“ fragte er sie. „Ich will mit ihm reden.“
    „Und mit Mara?“ Die Frau lächelte.
    „Auch dieser Gedanke ist mir gekommen.“
     

 
4
     
    Tsubata wendete das Shuttle. Der soeben reparierte Satellit glitt im Bogen hinter sie. Mara wandte den Blick wieder auf den Jupiter und seufzte.
    „Hast du etwas dagegen, wenn ich schlafe?“ fragte Tsubata neben ihr.
    „Etwas dagegen? Nein.“
    „Ich dachte, daß es dich vielleicht stört.“
    „Ganz im Gegenteil.“
    „Ich kannte einmal einen sehr brillianten Mann, als ich noch jung war. Außer dir, und bis ich dich traf, war er der einzige, den ich kannte. Ich dachte, du wärest vielleicht wie er.“
    Jupiters Oblatenform füllte ihren Gesichtskreis aus wie die runde Taille eines plumpen, zufriedenen Riesen. Die wilden elektrischen Stürme der letzten Wochen wirbelten die gefleckten Bänder durcheinander, und das nördliche Polargebiet wogte in fürchterlicher Wut. Genau wie ich, dachte sie. Weder Vater Jupiter noch ich können jemals ganz zur Ruhe kommen. „Ich verstehe nicht, Kurt.“
    „Er war seltsam. Weißt du, er war Professor an der Universität und ich war nur ein durchschnittlicher Student. Er kam oft in mein Zimmer. Dann haben wir den ganzen Tag und manchmal die ganze Nacht geredet. Das heißt, ich eigentlich selten. Nur er. Er hat geredet und geredet und geredet. Über jedes denkbare Thema und stundenlang. Und dann, plötzlich, stand er auf und schrie.“
    „Ja?“
    Tsubata lachte. „Er hatte seine Antwort. Immer wenn er ein Problem hatte, kam er zu mir. Und wenn er redete, fand sich irgendwie die Lösung. Ich weiß nicht, wie. Aber es funktionierte.“
    „Schlafwandler. Einstein war auch einer. Ich schlafe besser allein.“
    „Entschuldige.“
    „Nein“, korrigierte sie hastig, „das meinte ich nicht. Danke, Kurt. Dafür daß du gefragt hast, meine ich. Das war sehr rücksichtsvoll.“
    „Ich dachte, es wäre vielleicht wichtig.“
    „Ja. Danke.“
    Er schlief ein.
    Jupiter tanzte und wirbelte. Die Sterne glitzerten ungehindert. Sie war immer allein gewesen. Nach ihrer Geburt hatte man ein Ehepaar ausgesucht, um sie großzuziehen. Sie

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