Der Bernstein-Mensch
Knochen brechen, und das wäre das Ende seiner Reise.
„Er hört nicht“, sagte Mara leise.
„Er muß uns hören.“ Najimas Stimme klang nervös, aber fest. Das Radiorauschen verschluckte seine nächsten Worte, und dann sagte er: „Wir müssen jetzt einen Suchplan in Gang setzen.“
Mara: „Wie?“
„Luftunterstützung … nein, das würde wohl zu lange dauern.“
Bradley stapfte weiter. Sein Atem war jetzt ein rauhes Keuchen.
„Welche Richtung mag er genommen haben?“ fragte Tsubata, und seine Stimme klang hohl.
Mara: „Ich weiß nicht … Moment. Zu dem Kristallgebilde. Natürlich.“
Tsubata: „Das ist es, was er will.“
Mara: „Ja.“ Pause. „Ja.“
Najima: „Ich könnte Luft-Boden-Überwachungsgleiter starten. Damit kann man Bewegungen ausmachen.“
Mara: „Er könnte den Start sehen.“
Najima: „Na und? Wenn er nicht gesehen werden will, müßte er stehenbleiben. Sie würden zumindest sein Fortkommen verlangsamen.“
Mara: „Gut. Gut. He, das Radio. Er kann …“
Die Leitung war tot.
Mit pendelnden Armen beschleunigte Bradley seinen Schritt. Wenige hundert Meter vor ihm ragte der Felskamm zerklüftet in den rosafarbenen Himmel. Er rollte den zähen Kem einer getrockneten Frucht auf der Zunge und bearbeitete ihn konzentriert. Dann nahm er einen langen Zug von metallisch schmeckendem Orangensaft und schließlich einen Schwall reinen Sauerstoff, der ihm kühl zu Kopf stieg.
Ein Stein rutschte unter seinem Stiefel weg, und er geriet ins Taumeln. Vorsichtig, vorsichtig. Das Gestein hier sah zernarbt und abgeschliffen aus. Erosion? Ströme von Ammoniak und Methan, die dieses Hochland abgehobelt hatten? Oder wiederholtes Gefrieren und Auftauen von Ammoniak in den Steinen, das sie zerbrochen und die Eisenerzadern pulverisiert hatte? In den Klippen und Felsblöcken gab es keine Linien, keine Spuren der Evolution. Alles hier war rein. Der Schutt des urzeitlichen Sonnensystems war hier angeschwemmt und hatte sich wie eine Schale um den eisigen Ball gelegt. Kein Schiefer, kein Sandstein, kein Granit. Nichts, was von einer Entwicklung Zeugnis ablegte, nichts, was im Innern gebacken oder von geduldigen Ozeanen abgelagert worden wäre. Eine frische Welt mit einer Oberfläche aus Müll, verbrämt mit …
Verbrämt mit …
Über ihm ragte der Bergkamm auf. Er kletterte einen Hang hinauf, und plötzlich lag der Grat hinter ihm. Vor ihm erstreckte sich ein schmales Tal. Felsspalten krochen wie Finger den Hang herauf auf ihn zu.
Verbrämt mit weißen Fasern …
Wenige hundert Meter weiter unten sah er einen elfenbeinfarbenen Strang. Aber ein Riß im Fels versperrte ihm den Weg; er würde am Kamm entlanggehen müssen, bis er einen sicheren Abstieg fand.
Der Himmel flackerte auf. Ein grelles, weißes Lodern strahlte über ihm auf und warf Schatten über das Land.
Ein Überwachungsgleiter. Bradley blieb regungslos stehen und hoffte, daß sein blauer Anzug sich nicht allzu deutlich abzeichnete.
Er verzog das Gesicht. Natürlich würde er auffällig sein, deswegen trugen sie ja diese Farben. Also wußten sie jetzt, wo er war. Vielleicht, wenn er mit Mara spräche …
Nein, sinnlos. Durch Reden konnte er Najima nicht aufhalten.
Bradley begann, hastig am Grat entlangzulaufen. Seine Stiefel glitten auf dem zusammengebackenen Eis ab; er spürte einen stechenden Schmerz und marschierte weiter.
Er trat über aufgewehten Staub hinweg und an rötlich-braunen Eisplatten vorbei. Die verschlissene Maschine seines Körpers begann zu schmerzen, und obwohl er sich auf seinen Weg konzentrierte, begannen Bilder durch seine Gedanken zu huschen, Bilder von Vonda und Mara und Corey, Erinnerungen an die Zeit, da er sich, schwitzend in
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