Der Bernstein-Mensch
hinzog, nicht überwinden konnte. Wenn sie ihn damit verfolgten, würden sie einen langen Umweg machen müssen, parallel zu dem Kamm bis zu einem Durchbruch, der sechs Kilometer weiter nördlich lag. Bis dahin müßte er den Bereich, in dem die Linien des Netzes am dichtesten waren, erreicht haben; er lag gleich hinter dem Gipfel des Bergkammes.
Frostige Schleier wehten herab. Bradley fand, daß das Land in seinem eigenen Licht viel leuchtender erschien als im Innern des Schreiters. Die Wolkenbänke verstreuten ihre trübe Strahlung gleichmäßig und verteilten die Energie, die von der unsichtbaren Sonne herabsickerte. Auch Titan hatte eine geringfügig kältere Nachtseite, aber das Licht drang durch die dichte Luft bis dorthin und verbannte jede wirkliche Nacht. Nicht einmal Saturn mit seinen leuchtenden Streifen war durch die Wolkenschichten zu erkennen.
Bradley warf einen Blick zurück. Die Station war hinter einer zerklüfteten Anhöhe verschwunden. Das Gelände hier war dunkel und metallisch wie eisenhaltiger Lehm. Seine Stiefel wirbelten feines Pulver auf. Er hörte nichts als seinen eigenen seufzenden Atem und das gelegentliche Pfeifen seines Anzugs, wenn dieser irgendwelche Druckkorrekturen vornahm. Er konnte diese Welt zwar sehen, aber er konnte sie weder riechen noch hören, weder fühlen noch schmecken. Er war ein Alien unter Glas.
Platschend durchquerte er eine Pfütze. Sie sah aus wie Wasser, aber ein Tropfen, der auf seine Sichtscheibe gespritzt war, verdampfte sogleich zu gekräuseltem Dunst. Ammoniak? Er knipste die Handlampe an, und der zitronengelbe Lichtstrahl hüpfte und tanzte über die zerrissene Oberfläche des Tümpels. Er schaltete das Licht wieder aus, für den Fall, daß man auf der Station über eine Möglichkeit verfügte, so weit zu sehen, und der Kontrast ließ die Umgebung für einen Augenblick noch trüber erscheinen.
Mit pochendem Herzen marschierte Bradley weiter. Der Aufstieg erwies sich als anstrengender als er erwartet hatte, selbst in dieser geringen Gravitation. Er fand es plötzlich verwunderlich, daß ein solcher Mond, dessen Gravitation kaum stärker war als die von Luna, eine derartig dicke Atmosphäre besaß. Die schreckliche Kälte war das Geheimnis.
Methan und Wasserstoff waren so träge, daß sie nur langsam aus der Flasche der Schwerkraft heraussickern konnten. In seiner dicken Isolierung spürte Bradley nichts als das beruhigende Reiben und Strecken des Schutzanzugs. Er blieb einen Moment stehen und ließ sein Wasser in das Urinal des Anzugs laufen. Er keuchte ein wenig. In seiner Phantasie sah er sich den Anzug öffnen und direkt auf Titan pinkeln. Beim Auf treffen würde der gelbe Strahl augenblicklich gefrieren, und die Kälte würde sich ausbreiten, den Strahl hinauf, und die dünne, blasse Wassersäule würde in Sekunden kristallisieren, wobei das gelöste Ammoniak vielleicht frei würde, während die Kälte die Spitze seines Penis erreichte und sich in seine Eingeweide ergosse, ein Organ nach dem anderen ergriffe und sich ausbreitete, bis er zu Stein erstarrt wäre.
Grotesk, ja, und komisch, ja. Bradley stampfte mit dem Fuß auf, um einem kribbelnden Gefühl zu begegnen, und ging dann weiter.
„Bradley. Bradley!“
Maras Stimme. Verdattert blieb er eine Sekunde lang stehen und setzte sich dann wieder in Gang.
Es hatte keinen Sinn zu antworten. Sie könnten seine Trägerwelle anpeilen und die Richtung bestimmen.
„Bradley, komm zurück !“
Er kämpfte sich durch ein Feld von klobigen, zernarbten Steinen. Rosafarbener Schnee wehte um seine Füße. Er mußte vorsichtig sein. Wenn er stürzte, könnte er sich einen
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