Der Bernstein-Mensch
seinem Kugelhelm, auf dem Mars abgekämpft hatte. Sein Körper war eine Tafel, beschrieben von diesen Menschen und diesen Orten, seine Haut ein zurechtgeschnittenes, verknittertes Manuskript. In seinem Körper fand er Aufzeichnungen, soviel er wollte: Das Brennen der Nahrung, die in seinem Bauch verweste, der Reste seines Abendessens, oder die süßen Nadelstiche seines protestierenden Knöchels, den er sich neulich gestoßen hatte, als er im Schreiter die Balance verloren hatte, oder einen Schmerz von säuerlicher, verschwommener Art, eine Folge dieser Anstrengungen, oder ein silbriges Stechen in der Wade, verursacht durch eine winzige Unebenheit im Anzug, oder ein Pochen in seiner Nase, das irgendwie an Jonathons Tanz erinnerte, oder den dumpfen Druck in seinen Schenkeln, ein Echo der jahrelangen Meditationen in Nordafrika, oder einen ziehenden Schmerz, während er immer weiter und weiter marschierte.
Die Zeit verschmolz zu einer endlosen Reihe von Schritten, zu dem Knirschen seiner Stiefel auf dem Kies, und zu dem Atem, der aus zusammenfallenden Lungen entwich. Eine betäubende Kälte kroch an seinen Beinen hoch. Er sah wie durch einen Tunnel, und die Luft in seinem Helm wurde dick und schmeckte faulig.
Wieviel Zeit noch? Najima konnte schnell laufen. Aber wenn Najima ihn nicht fand …
Bradley schwenkte um und begann den Hang hinunterzusteigen. Hier gab es große Felsblöcke, höher als er selbst. Er schlängelte sich zwischen ihnen hindurch und sah sich dann um. Wenn Najima nicht direkt über ihm auf dem Grat stände, würde er den blauen Anzug in den Schatten kaum entdecken können.
Bradley suchte den Himmel ab. Nirgends blinkten die Lichtereines Hubschraubers, und nirgends fand er den Punkt eines Überwachungsfliegers. Am wallenden Horizont spie der Trichter des Vulkans dampfende, bräunliche Wolken in die Höhe. Schwarze Flecken tanzten in der zerfaserten Rauchfahne.
Flecken …
Bradley blinzelte und sah purpurne Punkte am Rande seines Gesichtsfeldes schwindelerregend hin und her huschen. Den rissigen, rosigen Schnee zu seinen Füßen konnte er kaum erkennen.
Abrupt ging er weiter; eine hektische Energie brodelte in ihm auf. Sein Atem war ein dünnes Raspeln. Der Anzug war gut, aber er konnte ihm keine Energien und Reserven geben, die er nicht besaß. Ein warmer Anzug, ein schwerer Anzug. Alle Behaglichkeit des Heims. Ein Produkt des Westens. Was hatte Najima noch gleich erzählt? Als Gandhi im zwanzigsten Jahrhundert nach England gekommen war und ein Reporter ihn fragte, was er von der Zivilisation des Westens halte, habe Gandhi geantwortet: „Ich finde, das wäre eine gute Idee.“
Ja, und das war es auch gewesen. Viele Ideen, genaugenommen. Und ganz besonders eine: das Universum zu betrachten, zu besuchen, zu durchforschen.
Ein Schüler der Sterne zu sein.
Zu stampfen, zu marschieren, zu atmen …
Der Sandpapierboden glitt unter seinen Stiefeln weg. Er klammerte sich an einen Felsen und fand sein Gleichgewicht wieder. Ein kleiner Erdrutsch ließ den Staub unter seinen Füßen abfließen.
Seine Nase lief und seine Augen brannten. Er trank einen Schluck, und die Flüssigkeit sickerte wie öl durch seine Kehle.
Bradley stieß sich von dem Felsen ab. Er hatte die Orientierung verloren, und seine einzige Hoffnung war es jetzt, sich bergab zu kämpfen. Irgendwann würde er auf die Kristallfasern stoßen. Er mußte. Kleine Steinchen knirschten gegen seine Stiefel, nahmen ihm Balance und Geschwindigkeit.
Er wankte vorwärts, und die Felsen teilten sich vor ihm.
Erst sah er nur einen leuchtenden Fleck.
Er tat noch einen Schritt und sah das hohe, kantige Kristallgebilde, elfenbeinfarben und
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