Der Bernstein-Mensch
nächsten Tür blieb er stehen und lauschte. Er hatte plötzlich eine Vision von Mara und Tsubata, wie sie ineinander verschlungen hinter dieser Tür lagen, glatte Gliedmaßen auf zerknüllten Laken, eine Einheit, die er bis zu einem bestimmten Grad arrangiert hatte. Hatte er das Frische, das Praktische in Tsubata gesehen und Mara sanft in diese Richtung gedrängt? Es war kein Zufall, daß diese neuen Männer oft, zumindest kulturell, aus Asien kamen und mit sicherer Anmut eine Welt betraten, die der Westen einst grellbunt gefärbt hatte. Sie waren ein Teil des Pendelschwungs der menschlichen Geschichte: Ost, West, Ost, West. Vielleicht wüde Titan sich am Ende solchen Männern ergeben. Aber in anderer Hinsicht war Bradley da nicht so sicher. Dem Osten fehlte eine Eigenschaft, die der Westen besaß – war es Dreistigkeit oder schlichte Dummheit? –, und er fürchtete, dieses Element könnte der Schlüssel zu dem sein, was hier verborgen lag.
Er schüttelte die besinnliche Stimmung ab und schob sich den Gang hinunter. Er bewegte sich behutsam. Die Treppe, die zur unteren Ebene hinunterführte, vibrierte schwach unter seinen gedämpften Schritten. Er durchquerte die kreisförmige untere Werkstatt und zwängte sich zwischen Stapeln von Material hindurch. In einer rechteckigen Nische hing eine Maschine wie ein riesiges Metallbaby, das darauf wartete, gebadet und gewickelt zu werden.
Bradley erreichte die Stelle, wo Station und Schreiter miteinander verbunden waren, und machte eine Pause. Kam dieses gelegentliche schwache Stampfen von oben, von dem ruhelosen Najima? Er versuchte angestrengt, das Geräusch zu entschlüsseln. Die Ärzte behaupteten, daß ihre Künste sein Gehör auf dem Stand eines Dreißigjährigen gehalten hätten, aber er wußte, daß er die tiefen, dröhnenden Klänge von Musik und wahrscheinlich auch andere Töne, wie dünnes Wispern oder ferne Gespräche, nicht mehr wahrnahm.
Unbewußt streckte er eine Hand aus, und plötzliche, stechende Kälte ließ ihn zurückfahren. Die Wand der Werkstatt hatte ihre normale, eisige Temperatur bewahrt; die Station hatte sich noch nicht völlig für ihre Gäste erwärmt. Sie verbrachte lange Monate unter Titan-Temperaturen, ein Stück dieser Welt, und selbst ihre Luft lagerte dann als flüssige Brühe in den Tanks.
Das Geräusch wiederholte sich nicht. Bradley wußte, daß er nicht gut genug hörte, um zu merken, wenn er verfolgt würde, zumindest dann nicht, wenn er den Schreiter betreten hätte. Sei’s drum; von hier gab es kein Zurück mehr. Er trat durch die Schleuse des Schreiters in die Anzugkammer.
Der Schreiter war für flexible Einsätze konstruiert, und dazu gehörte auch die Möglichkeit, daß ein verletztes oder schwaches Besatzungsmitglied allein auf Titan hinausgehen mußte. Vier Schutzanzüge hingen an schwenkbaren Ständern. Bradley schwenkte seinen Anzug heraus und ließ ihn auf der automatischen Ankleideplattform einrasten. Die Isolation machte den Anzug unförmig, und er bewegte sich schwerfällig.
Bradley schob sich rückwärts in die Umhüllung. Das S-förmig geschwungene Anzugfutter schmiegte sich dicht an ihn. Er beugte sich vor und schlängelte seine Arme nach hinten in die Ärmelröhren. Mühsam und angespannt zwängte er den Kopf durch den Halsring. Das Gestell trug zwar den Anzug und legte ihn automatisch an, aber es hielt ihn, wie jemand mit zittrigen Händen einen Leichnam hält. Bradley richtete sich auf, drückte auf einen Knopf, und der Anzug schloß sich auf dem Rücken. Der Helm senkte sich sanft auf den Halsring herab. Ein letzter kurzer Ruck, und die Verriegelung rastete ein.
Bradley
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