Der Bernstein-Mensch
Verstandes gehen. Er konnte sich leicht vorstellen, daß seine Kollegen auf der Erde bei dem Gedanken daran durchdrehten. Aber sie konnten nichts tun. Er war auf dem Mars, sie waren auf der Erde, und er beabsichtigte nicht, diese Tatsache auch nur für einen Augenblick zu vergessen.
Er war Astronom. Ein brillianter Astronom war die am häufigsten benutzte Formulierung, aber sie traf nicht zu. Erst vor fünf Jahren hatte sich ein jugendliches Interesse an der Möglichkeit von Leben auf anderen Planeten in Besessenheit verwandelt. Reynolds war jung, gutaussehend, redegewandt und intelligent. Er war zu einer Art von Ein-Mann-Bekehrungsbewegung für die lange vernachlässigte Religion „Der Mensch im All“ geworden. Er trat im Fernsehen auf. Er schrieb Bücher. Er hielt häufig öffentliche Vorträge, zumeist in Hochschulen, wo das Publikum jung, intelligent und beeindruckbar war. Er war mit dem Präsidenten zusammengetroffen und hatte vor verschiedenen Kongreßausschüssen ausgesagt. Seine Botschaft war immer dieselbe: Es gab Leben dort draußen. Es war die natürliche Pflicht der Menschheit, dieses Leben zu finden und kennenzulernen. Der Mars war ein perfekter Ausgangspunkt dafür, aber danach würden unausweichlich Jupiter, Saturn und die Sterne selbst folgen. Er hatte gut gesprochen. Er hatte intelligent agitiert. Das Endergebnis war diese Expedition gewesen. Das Endergebnis dieser Expedition jedoch, das war seine glühende Überzeugung, mußte der Erfolg sein. Ein Fehlschlag würde alles zerstören, und er wußte, daß er zu fast allem bereit war, um den Erfolg sicherzustellen. Die Zukunft der Menschheit hing in der Schwebe. Was jetzt auf dem Mars geschah, war entscheidend für das, was später, wenn überhaupt, auf den anderen Planeten und Sternen geschehen würde.
Kastor, McIntyre und Morgan waren tot. Er vermißte keinen von ihnen. Eine hatte er gemocht. Alle drei betrauerte er gleichermaßen. Es war besser so – besser allein. Keiner von ihnen – nicht einmal Morgan – hatte die ganze Wahrheit auch nur geahnt. Aber er kannte sie. Er kannte sie ganz.
Und deshalb war es jetzt an ihm, den wartenden Augen und Ohren der Welt diese Wahrheit zu enthüllen.
Smith übermittelte die Daten über den Lebensquell zur Erde und kam knapp einen Tag später mit der Antwort. „Die Einsatzleitung läßt Ihnen sagen, diese Idee von einem Quell des marsianischen Lebens sei Unsinn.“
Reynolds beherrschte sich. Der Sturm draußen stöhnte wütend. „Aber sie können doch meine Untersuchungsbefunde nicht bestreiten.“
„Sie sagen, das sei wahrscheinlich ein Zufall.“
„Aber das ist absurd. Ein Zufall kann nicht …“
Sogar über das Radio konnte man hören, daß Smiths Stimme schriller wurde. „Ich erzähle Ihnen nur das, was sie gesagt haben, Brad.“
Reynolds blieb ruhig. Es war wieder das gleiche: menschliche Unzulänglichkeit stellte sich der Wahrheit des Universums entgegen. Aber er hatte sie schon öfter geschlagen. „Was wollen sie denn dann von mir?“
„Sie meinen, Sie sollten zurückkommen. Drei Todesfälle bei vier Leuten ist ein furchtbarer Preis. Ich kann die Fresno nicht allein zur Erde zurückfliegen. Sie sollen am besten sofort zum Modul zurückfahren.“
„Das würde ich gern tun“, sagte Reynolds, „aber wir sind hierhergekommen, um das Leben zu studieren. Daran können auch drei Todesfälle nichts ändern, Paul.“
„Es war ein Befehl, Reynolds.“
Reynolds beschloß, seinen Verdacht nicht länger zu verbergen. „Von wem?“
„Was?“ fragte Smith.
„Ich frage mich, ob Sie es ihnen überhaupt erzählt haben. Das mit dem Ursprungsort. Haben Sie es nicht vielleicht verschwiegen, um mich auf diese Weise
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