Der Bernstein-Mensch
Zuschlagens übertönen. Sie konnte ungehört hinausgegangen sein.
In seinem Anzug konnte er den furchtbaren Wind nicht hören. Staub und Sand wehten über die Oberfläche seines Helms. Er mußte seine Hände abschirmend vor das Gesicht halten, um sehen zu können. Ihr Körper lag halb begraben kaum einen Meter weit vor der Luftschleuse. Er nahm die tote Last ohne Schwierigkeiten auf den Arm und trat eilig ins Zelt zurück.
Reynolds hoffte, daß der kurze Kontakt ihres Leichnams mit der offenen Marsatmosphäre nicht genügt hatte, um das Land zu kontaminieren.
Bevor er die Gegend verließ, würde er eine sorgfältige Überprüfung durchführen müssen, um sicherzugehen.
5
Der letzte Mensch auf dem Mars, Bradley Reynolds, lenkte das verbeulte Kriechfahrzeug vorsichtig durch die Dünen des nordöstlichen Hellas. Die Ausrüstung, die er mitführte, war gerade ausreichend für einen Mann: das Radio, eine Schaufel, zwei Hacken, konzentrierte Lebensmittel, hauptsächlich Getreideflocken, fünf Wasserkanister, Notsauerstoff, einen tragbaren Schutzsack und, was das wichtigste war, die Atmosphäre- und Bodendetektoren. Alles andere – einschließlich seiner Proben und Aufzeichnungen – war im großen Zelt zurückgeblieben. Auf dem Rückweg würde er dort anhalten und mitnehmen, was er brauchte.
Der Staubsturm hatte Gestalt und Gepräge der Landschaft stark verändert. Loser Staub und Sand lagen zu steilen Bergen, Wellen und Wirbeln aufgehäuft. An einigen Stellen standen nackte Blöcke von hartem Felsgestein. Die Farbe der Sonne direkt über ihm wechselte ganz allmählich von staubgrau zu einem schwärzlichen Blau. Der Horizont ragte so dicht vor ihm auf, daß er glaubte, ihn berühren zu können. Der Ursprung – der Brennpunkt, der Garten – lag ganz in der Nähe. Jede Stunde hielt Reynolds das Fahrzeug an und sammelte neue Proben ein. Er entdeckte eine große Anzahl von neuen und komplexen mikrobiotischen Lebensformen. Wenn er seine Fahrt fortsetzte, ließ er die Proben zurück. Es waren jetzt zu viele, als daß er sie hätte tragen können, und es war der Ausgangspunkt des Lebens, nicht das Leben selbst, was ihn interessierte.
Als Morgan tot war, hatte Reynolds nicht mehr gezögert, der Erde seine Theorien mitzuteilen. Die bemannten Raumfahrtprogramme hatte man fast drei Jahrzehnte dahinsiechen lassen. Erst die Existenz von Leben auf dem Mars hatte sie zu neuer Blüte gebracht. Deswegen, und weil Reynolds die Anwesenheit des Menschen im All für notwendig hielt, wußte er, daß er nun etwas finden mußte. Ein Fehlschlag – und die drei Todesfälle würde man kaum anders sehen wollen –, und das Programm würde womöglich wieder zusammenschrumpfen oder sogar für immer verschwinden. Und dabei hatten sie kaum erst angefangen. Der Mars, das war seine feste und glühende Überzeugung, war nichts als eine Warze auf dem Rüssel eines riesigen Elefanten. Das physikalische Universum existierte – in dieser Hinsicht akzeptierte er das, was seine Sinne ihm sagten –, und die Menschheit hatte das Recht und die Pflicht, es in seiner Gesamtheit zu erfahren und zu erleben.
Dieser Glaube war es gewesen, der ihm einen Platz in der Expedition verschafft hatte, aber er hatte ihn auch gezwungen, zumindest bis jetzt ruhig im Hintergrund zu bleiben. Er hatte dem armen Kastor die Führung überlassen – Kastor mit seinem kleinkarierten Verlangen nach Macht und Ruhm – und später dann, während der kurzen Zeit, die sie noch zu leben gehabt hatte, Loretta Morgan. Aber jetzt war Bradley Reynolds allein auf dem Mars. Der Planet war in seiner Hand. Alles, was die Erde erfuhr, würde zunächst durch den Filter seiner Sinne und seines
Weitere Kostenlose Bücher