Der Bernstein-Mensch
zurückzuholen?“
„Das wäre aber doch ziemlich dumm, oder nicht?“
„Vielleicht. Ich weiß es nicht. Nur … belügen Sie mich nicht, Paul.“
„Um Gottes willen, glauben Sie mir doch, ich lüge nicht. Houston hat den Befehl gegeben.“
„Dann werde ich leider den Gehorsam verweigern müssen.“
„Reynolds, das können Sie nicht.“
„Paul, ich werde es tun.“
Und er tat es. Reynolds machte weiter. Bei jeder vierten Umkreisung sprach er mit Smith. Er fand, daß er die Isolation leicht ertragen konnte.
Smith sagte ihm: „Brad, was Sie da machen, ist Wahnsinn. Die andern sind tot. Wollen Sie auch sterben?“
Dies war eine Frage, über die nachzudenken er sich nie gestattet hatte. „Ich werde nicht sterben.“
„Aber es ist doch sinnlos. Wir wissen, daß es dort unten Leben gibt. Was wollen Sie noch?“
„Wir wissen nicht, warum.“
„Wen kümmert das denn?“ schrie Smith.
„Mich, glaube ich“, antwortete Reynolds leise.
6
Das Ende der winzigen Sonde ragte aus dem Sand, und ihr mattes Schimmern fing seinen Blick und verbrannte seine Seele.
Reynolds mußte nicht erst eine Probe nehmen, um Bescheid zu wissen. Wie ein grabendes Tier legte er die Sonde mit den Händen frei. Sie sah aus wie ein verrücktes Rad auf einer Stange. Überall Speichen, Streben und Nieten. Die Inschrift auf einem der Flügel war zwar durch die Erosion von Wind und Sand verwischt und verwittert, aber sie war noch lesbar. Sie enthielt sogar ein Datum.
Reynolds las: 1966.
Die Inschrift war russisch.
Hier lag der Quell des marsianischen Lebens. Der Garten Eden leuchtete im Staub.
Reynolds hockte schwankend am Boden und starrte in den fernen Himmel, in dem ein einziger, zerfaserter Wolkenstreifen hing. Mein Gott, warum haben sie es uns nicht gesagt? Es war ein Produkt der Geheimniskrämerei jener fernen Zeit – des kalten Krieges. Und jetzt: Kontamination. Eine russische Sonde, stinkend von irdischen Bakterien, war hier zerschellt.
Reynolds senkte den Blick und spähte über die einsame Landschaft hinweg. Leben auf dem Mars – ja. Aber wessen? Unseres, hier heraufgebracht von dieser Sonde? Oder ihres?
Er wußte, daß man diese Frage niemals würde beantworten können.
Seine Trauer verwandelte sich unvermittelt in Bitterkeit und Wut. Er sprang auf die Füße und trat auf die Sonde ein. Seine Stiefel stießen scheppernd dagegen. Die kyrillische Inschrift verschwand zwischen den Beulen. Die Farbe splitterte herunter, und das dünne Metall zerriß.
Mühsam entspannte er sich und ließ sich schwerfällig in den Staub sinken. Er mußte die aufsteigenden Tränen niederkämpfen. So viel, so gottverdammt viel, und dann dieser wahnsinnige, komische, lächerliche Schluß.
Smith würde jeden Augenblick über ihm hinwegziehen. Er würde es ihm sagen müssen.
Reynolds durchforstete die Fakten. War das ganze marsianische Leben eine Kontamination? Oder nur zum Teil? Wenn nur zum Teil, wie war dann der Garten-Eden-Effekt zu erklären?
Wenn, wenn …
Angenommen, die Sonde hatte der genetischen Speisenkarte des Mars ein neues Element hinzugefügt. Neue biologische Informationen, neue Überlebensmechanismen. Etwas Grundlegendes, wie die geschlechtliche Fortpflanzung selbst, auf Zellebene. Wie damals, als man Kaninchen nach Australien gebracht hatte, nur symbiotisch: Die Kreuzungen überlebten besser als die Eingeborenen und besser als die Kontaminanten. Eine neue Rasse von Marsianern, die sich vom Garten Eden aus verbreitete. Die Injektion eines neuen Tricks in das genetische Erbgut würde oder könnte einen solchen Ausuferungseffekt bewirken.
Zwei Hypothesen:
(a) Alle Marsianer waren Kontaminanten.
(b) Dies war lediglich eine neue Züchtung. Welche von beiden stimmte?
Es
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