Der Bernstein-Mensch
gemeinsam weiter. In dem schmalen Gang war kaum Platz für sie beide.
Reynolds versuchte nicht zu reden. Soviel er sehen konnte, gab es nichts mehr zu sagen, was sich in dieser kurzen, noch verbleibenden Zeit würde sagen lassen. Besser, nichts zu sagen, dachte er, als zu wenig.
Die Schleuse stand offen. Dahinter sah Reynolds den gedrungenen Rumpf der Fähre, die an der Außenhülle des Raumschiffs hing.
Er hatte nichts mehr zu sagen. Er wandte sich Jonathon zu und murmelte: „Leben Sie wohl“, und während er es sagte, fragte er sich zum ersten Mal, wohin er eigentlich zurückkehrte. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde er wieder ein Held sein. Eine gefeierte Persönlichkeit. Aber das machte nichts: Ruhm war vergänglich, Ruhm war erträglich. Zweihundertvierzigtausend Meilen war immer noch eine ziemliche Entfernung. Er würde schon zurechtkommen.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, sagte Jonathon: „Werden Sie hierbleiben, oder werden Sie auf Ihren Heimatplaneten zurückkehren?“
Die Frage überraschte Reynolds; es war das erste Mal, daß der Alien ein persönliches Interesse an ihm hatte durchblicken lassen.
„Ich bleibe hier. Hier fühle ich mich wohler.“
„Und es gibt einen neuen Direktor?“
„Ja. Woher wissen Sie das? Aber ich glaube, ich werde wieder berühmt sein. Ich kann Kelly zurückholen.“
„Sie könnten die Stelle selbst bekommen“, sagte Jonathon.
„Aber ich will sie nicht. Woher wissen Sie das alles?“
„Ich höre den Sternen zu“, sagte Jonathon.
„Die Sterne leben, nicht wahr?“ sagte Reynolds plötzlich.
„Natürlich. Uns ist es erlaubt, sie als das zu sehen, was sie sind. Ihnen nicht. Aber Sie sind jung.“
„Es sind Kugeln aus ionisiertem Gas. Thermonukleare Reaktionen.“
Der Alien bewegte den Hals, als habe er ein Gelenk darin. Reynolds verstand diese Geste nicht, und er würde sie auch nie verstehen.
„Wenn sie zu Ihnen kommen“, sagte Jonathon, „nehmen sie eine Gestalt an, die Sie sehen können. So verbringen sie ihre Zeit in diesem Universum. Betrachten Sie sie als Türen.“
„Durch die ich nicht gehen kann.“
„Ja.“
Reynolds lächelte, nickte und trat in die Schleuse. Hinter ihm zog sich der Eingang zusammen und verschluckte das Bild seines Freundes. Ein paar Augenblicke in schwebender Stille, und das andere Ende der Schleuse öffnete sich.
Der Pilot war ein Fremder. Reynolds ignorierte den Mann, zog seinen Anzug über, schnallte sich fest und dachte an Jonathon. Was hatte das Wesen gesagt? Ich höre den Sternen zu. Ja, und die Sterne hatten ihm auch gesagt, daß Kelly gefeuert worden war?
Das gefiel ihm nicht. Aber was ihm noch weniger gefiel: Als Jonathon es sagte, hatte er nicht gezwinkert.
(a) Er hatte die Wahrheit gesagt, (b) Er konnte lügen, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken.
Such dir eins aus.
Reynolds suchte sich eins aus, und die Fähre fiel auf den Mond zu.
Drei
2052
Afrika
Hinter der hohen, von der rot brennenden Wintersonne überglühten Klostermauer saß Bradley Reynolds, mit nackten Beinen und ohne ein körperliches Unbehagen zu fühlen. Der brennend heiße tunesische Sand versengte die Seiten seiner Schenkel, aber Bradley zwang seinen Geist, im tonlosen Rhythmus mit den anderen braungekleideten Mönchen zu meditieren, die mit ihm zusammen einen Kreis bildeten. Aber die anderen waren so jung. Es fiel ihm schwer, sein geistiges Auge auf die ewige Leere zu konzentrieren, wenn sein körperlicher Blick ihm immer wieder Bilder von ihren leuchtenden Gesichtern zeigte, mit glatter Haut, vollen Lippen und kristallklaren Augen. Ich war auch einmal wie sie, erinnerte er sich liebevoll, aber da hatte ich noch nicht gelernt, in meiner jugendlichen Maßlosigkeit auch Sanftmut zu
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