Der Bernsteinring: Roman
sehr sättigend sein.«
»Du wirst es bald am eigenen Leib erfahren. Darf ich dir Glück wünschen, meine Freundin?«
Rosa sah verblüfft auf.
»Mir? Wieso mir?«
»Nun, das Haus ›Zum Raben‹ ist groß und komfortabel, du wirst deine eigenen Gemächer haben, bei weitem schöner als diese kleine Kammer. Und deine Börse wird sicher reich gefüllt sein, so dass du nie wieder über die mindere Qualität deiner Gewänder jammern musst.«
»Anna?«
»Auch Schmuck wirst du erhalten, glitzernde Ringe, um deine zarten Hände zu schmücken, perlenbestickte Hauben und klingende Ketten.«
»Anna, was meinst du damit?«
»Und ich bin mir sicher, er wird ein wundervolles Fest ausrichten, wenn ihr in den heiligen Stand der Ehe tretet.«
»Anna? Anna, ich heirate nicht.«
»Doch, du heiratest. Noch dieses Jahr. Und zwar den hochachtbaren Ratsherren Hrabanus Valens.«
»Nein!«
Rosa schrie und hielt sich dann die Hand vor den Mund.
»O doch.«
»Nein!«, sagte sie leiser. »Nicht diesen blatternnarbigen...«
»Rosa von Gudenau, Gauklerin und Stiftsdame, was willst du mehr vom Leben? Du entfliehst diesem Stift – stell dir vor, keine Gebete mehr zu frühmorgendlicher Stunde, keine strengen Ausgehregeln, keine schwarze Tracht mehr.«
»Anna, was hast du mir angetan?«
»Ich habe dir gar nichts angetan. Aber es ist das Beste,was dir passieren kann. Ein reicher, großzügiger und sanftmütiger Mann.«
»Du irrst, Närrin. Er ist reich, er mag großzügig sein, sanftmütig ist Hrabanus Valens nicht. Ich will nicht.«
»Du wirst schon noch wollen. Er hat bereits mit der Äbtissin gesprochen.«
Völlig entgeistert sah Rosa sie an.
»Aber du willst ihn doch für dich selbst?«
Anna ließ sich auf die Bettstatt fallen und schluchzte herzzerreißend auf. Rosa setzte sich neben sie und schlang die Arme um sie.
»O Gott, du Ärmste. Ja, ich werde ihn heiraten. Für dich.«
18. Kapitel
Hochzeit
Im November des Jahres 1493 nahm der Ratsherr Hrabanus Valens Rosa zur Frau. Die Trauung fand in der Stiftskirche vor dem soeben vom Bürgermeister Hirtz gestifteten Seitenaltar statt. Die Kanonissen in ihrer schwarzen Tracht nahmen geschlossen an dieser Feier teil, und der Chorgesang auf der Empore füllte die hohen Gewölbe mit seinem Jauchzen. Nur Anna sang nicht mit.
Nach der Trauung ließ sie sich von Valeska in ihr schönstes Gewand kleiden. Unter einem blauen, mit Silberfäden bestickten Mieder bauschte sich ein blütenreines, weißes Hemd mit feinen Spitzen, der gleichfalls blaue Rock schwang wie eine Glocke von verschwenderischer Weite um ihre Beine. Ein silbernes, mit kleinen Perlen besticktes Netz fing ihre schwarzen Haare ein wie eine schimmernde Wolke.
»Wollt Ihr Euren Schmuck anlegen, Herrin? Frau Rosa wird sicher mit dem ihren prunken!«
»Muss ich mich mit ihr messen, Valeska?«
»Ihr müsst nicht, aber...«
»Sie soll sehen, dass sie nicht die Einzige ist, der der Ratsherr Geschenke macht, meinst du?«
Hrabanus hatte ihr anlässlich seiner Verheiratung einen wertvollen, edelsteinbesetzten Anhänger in Form eines Kreuzes geschenkt, der an einer feinen Goldkette hing.
»Nun, es ist wohl angemessen, es zu tragen. Gib es her.«
»Erzählt Ihr mir später, was es zum Festmahl gab?«
»Wie bescheiden du plötzlich bist, Valeska. Du verlangst gar nicht, dass ich dir von den Marzipanküchlein mitbringen soll?«
Die Magd leckte sich sehnsüchtig die Lippen.
»Ich habe hier eine so hübsche Tasche für Euren Gürtel, Herrin...«
»Mal sehen, was sich da hineinschleicht.«
Mit der Priorin, der Äbtissin und zwei weiteren Stiftsdamen, besuchte Anna das auf die Trauung folgende Fest im Hause des Ratsherren Hrabanus. Es war ein großzügiges Fest, wie es sich für einen wohlhabenden und einflussreichen Mann gebührte. Zu den Gästen gehörten die ersten Familien Kölns, Patrizier und Ratsmitglieder; der Abt von Sankt Gereon und zwei Domherren waren vertreten und auch mehrere Professoren der Universität. Daneben aber waren auch Fremde eingeladen worden, Geschäftsfreunde des Hausherren. Zwei Handelsherren aus England und eine Gruppe in ungewöhnlich gemusterten Brokatgewändern und edelsteingeschmückten Turbanen aus den maurischen Ländern saßen neben französischen und italienischen Weinhändlern. Die Damen des Haushaltes jedoch verhielten sich ausnehmend zurückhaltend, beinahe mürrisch. Es waren die beiden Schwestern von Hrabanus’ erster Frau Berlindis, drei ältliche Basen, unverheiratet und
Weitere Kostenlose Bücher