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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Weib, das seinen frommen Geschäften nachging, sondern eine überaus fähige Verwalterin des Stiftsvermögens und kannte sich im Feilschen und in kaufmännischen Winkelzügen genauso gut aus, wie jeder gewiegte Handelsherr. Aus diesem Grund wanderte Anna zusammen mit der Pistorin zwei Tage später bei strahlendem Sonnenschein und einem erquicklichen Wind am Rheinuferentlang, um bei den Wachen am Bayenturm die Festsetzung des Pächters Jobst Mühlmann wegen Betrugs und Bereicherung zu erwirken.
    »Wenn der erst einmal zwei Tage am Kax gestanden hat, dann wird der keine falschen Gewichte mehr verwenden!«
    »Glaubt Ihr, Pistorin, er kommt damit davon? Wenn er falsch gewogen hat, dann hat er auch den Molter falsch berechnet. Das wird einen größeren Ärger geben.«
    »Ist mir auch recht. Es hat ihn niemand gezwungen, seine Kunden, uns oder die Stadtkasse zu betrügen.«
    Der Bayenturm, der südlichste Turm der Stadtmauer, ragte trutzig vor ihnen auf, doch mussten sie noch an dem Wischgassentor, der Holzpforte und der Dreikönigspforte vorbeigehen. Sie wanderten auf der Rheinseite außerhalb dieser Tore entlang und beobachteten dabei das geschäftige Treiben auf dem Strom. Schwer beladene Oberländer schwammen langsam an der Rheinvorinsel vorbei, um ihre Fracht an einem der zuständigen Tore zu löschen – die einen am Weinpförtchen ihre Fässer, die anderen an der Fischpforte ihre Heringe, oder am Salzgassentor ihre würzige Ladung. Doch die Stadtmauer umschloss weit mehr als das bebaute Stadtgebiet, und hinter ihr lagen im Süden die Felder und Weingärten, die zum Sürter- und zum Brempter Hof und zum Clarenhof gehörten. Auf dem Fluss selbst aber lagen in zwei Reihen nebeneinander die Wassermühlen, deren Mahlwerke durch die beständige Strömung des Wassers angetrieben wurden. Das Klappern der hölzernen Mühlräder klang bis zum Ufer herauf.
    »Da sitzt der Halunke und glaubt, uns um den Finger gewickelt zu haben«, schnaubte die Pistorin bei diesem Anblick.
    »Nicht mehr lange. Die Wache wird ihm bald einenBesuch abstatten. Ich hoffe, seine Gesellen sind in der Lage, den Betrieb weiterzuführen.«
    »Die Priorin hat schon mit einem anderen Müller gesprochen. Wir finden schnellen Ersatz. Das Geschäft auf den Rheinmühlen ist einträglich.«
    Anna lüpfte ein wenig den Schleier über ihren Haaren, um den Wind zu spüren.
    »Na, na, Frau Anna! Passt auf, dass Ihr keine Kopfschmerzen bekommt.«
    »Nein, vom Wind nicht. Eher von dem zu fest gebundenen Tuch.«
    »Ihr seht, mit Verlaub gesagt, recht unternehmungslustig aus.«
    Anna lachte. »Ja, mir ist seit ein paar Tagen leicht ums Herz. Mag sein, es liegt an den Sonnenstrahlen.«
    »Oder an Eurer Jugend. Obwohl, so jung seid Ihr doch nicht mehr, nicht wahr? Ihr seid schon im Stift gewesen, als ich die Bäckerei übernommen habe.«
    »Ich habe achtundzwanzig Sommer gesehen, Heilgard. Dieser ist mein zwölfter im Marienstift.«
    Die ältere, resolute Frau verhielt ihre Schritte für einen Augenblick und sah die Schreibmeisterin an.
    »Mir will scheinen, es wird Euer letzter sein.« »Wie meint Ihr das?«
    »Ich weiß nicht, möglicherweise sehe ich zu viele Geheimnisse darin. Aber Ihr habt Euch seit dem Plektrudistag verändert.«
    »Ihr scheint viel zu sehen in Eurer Backstube.«
    »Natürlich. Ich sehe, wer bedrückt über den Hof schleicht, wer sein Brot zerkrümelt, ohne es zu essen. Ich beobachte, wer heißhungrig alles in sich hineinstopft, um einen Hunger zu stillen, den Brot und Brei nicht befriedigen können. Ich sehe, wer den Kopf hoch trägt und wer ihn in gespielter Demut senkt. Und ich sehe, wennein Weib plötzlich einen herausfordernden Schritt bekommt. Wie den Euren, Frau Anna.«
    »Herausfordernd!«
    »Nehmt es mir nicht übel. Ihr seht aus, als ob Ihr Euch der Welt stellen und den Schutz der Immunität verlassen wollt. Und ich, Frau Anna, bin die Letzte, die Euch das vorhalten wird. Ich war verheiratet und hatte meine drei Kinder, bevor ich mich in ihren Schutz zurückzog. Für mich ist es besser, mein Handwerk für das Stift auszuüben als in der Stadt. Als Witwe hat man es schwer, wenn der Mann nicht mehr da ist und den Laden führt. Meine Jungens und ihre Frauen machen das ganz ordentlich. Mich braucht man dabei nicht. Nun, es ist ja auch gleichgültig. Da ist der Turm, sehen wir zu, es hinter uns zu bringen. Ich will den Jobst Mühlmann am Schandpfahl sehen!«
    »Rachsüchtiges Weib!« Anna grinste sie an, und auch Pistorin Heilgard verzog den

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