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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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schaute daran vorbei, dorthin, wo ihre Augen vor Zorn dunkel geworden waren. Echter Zorn diesmal  – nicht nur Streitlust.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte er.
    »Schauen Sie ihn an!« , wiederholte sie. »Sehen Sie doch, wie glücklich er ist! Und sehen Sie sich an, was Sie jetzt mit ihm gemacht haben! Er ist ein guter Mensch, der versucht, seinen Job zu machen, und Sie versuchen bloß, ihn schlecht zu machen, weil Sie den Mörder nicht kriegen!«
    Lucy stemmte sich auf ihre unsicheren Beine, während ihre Stimme an Tempo zulegte. »Sie stellen ihn vor eine Haustür, demütigen ihn vor dem ganzen Dorf, unterstellen ihm, er würde jemanden decken, der sechs Menschen umgebracht hat! Das ist einfach krank! Sie sind krank!«
    Krank.
    Marvel riss ihr das Foto aus der Hand, so dass sie erschrocken zusammenfuhr.
    »Sie können mich mal!«, fauchte sie ihn an.
    »Sie mich auch!«, spie er, und sie zuckte unwillkürlich zurück. »Wenn Ihr Mann unglücklich ist, dann ist das Ihre Schuld, nicht meine! Irgendjemand in diesem Scheißkaff hat alte Menschen plattgemacht wie Seehundjunge, und Ihr Bauerntölpel von Ehemann verbirgt etwas vor mir. Das Letzte, was ich brauche, ist also, dass mir irgendein vergrätzter Krüppel erzählt, wie ich meinen Scheißjob machen soll.«

    Er ging hinaus und knallte die Haustür hinter sich zu, so fest er konnte.
    Lucy schwankte hinter ihm, atemlos vor Schock. Sie hielt sich an der Armlehne des Sofas fest  – und sah sich selbst in Marvels Worten wie in einem blitzblanken Spiegel. Sie hatte sich so lange in Jonas’ liebevollen Augen gespiegelt gesehen, dass sie vergessen hatte, was sie wirklich war.
    Irgendein vergrätzter Krüppel.
     
    Reynolds saß in der kalten mobilen Einsatzzentrale und verglich Danny Marshs Abschiedsbrief mit dem Zettel, den Jonas an seinem Gartentor gefunden hatte.
    Zwischen den beiden Handschriften bestand nicht die geringste Ähnlichkeit. Die in dem Abschiedsbrief war gerundet und in die Breite gezogen; die auf dem Zettel war eng und zackig.
    Reynolds war kein Fachmann, doch sie konnten die Botschaften nicht zu Bob Hamilton bringen, dem Experten, solange so viel Schnee lag. Sie hatten sie gescannt und ihm gemailt, damit er schon einmal anfangen konnte, doch er brauchte die Originale, um einen brauchbaren Vergleich anzustellen. In der Zwischenzeit nahm das ganze Team die Botschaften gründlich in Augenschein  – allerdings brauchte Reynolds nur einen kurzen Blick darauf zu werfen, um zu sehen, dass eine Übereinstimmung zwischen den beiden Botschaften höchst unwahrscheinlich war.
    Mit einem Achselzucken und einer Unterlippe, die diese Meinung kundtat, schaute er zu Marvel auf.
    »Es ist ja möglich, dass die Schrift auf dem Zettel am Tor verstellt war«, meinte Marvel in einem Tonfall, der nicht zu Widerspruch einlud. »Hamilton könnte durchaus eine Übereinstimmung feststellen.«
    »Dazu müsste er ein Magier oder ein Vollidiot sein«, widersprach Reynolds.
    Grey kicherte, und Marvel juckte die Faust. Immer war
Reynolds so ein verdammter Klugscheißer. Marvel wusste, dass die Handschriften der beiden Botschaften nie im Leben übereinstimmen würden. Verdammt, Stevie Wonder konnte das sehen.
    Doch so, wie er es sah, war es Reynolds’ Aufgabe, seine Entscheidungen mitzutragen und so zu tun, als sei er überrascht, wenn der Experte keine Übereinstimmung feststellte  – besonders vor anderen. Natürlich hatte Marvel längst aufgehört, von seinem DS derartige Unterstützung zu erwarten, aber wenigstens einmal wäre es doch nett.
    Besonders bei diesem Fall.
    Natürlich bestand immer noch die Chance, dass die Zettel, die Jonas Holly bekommen hatte, gar nicht von dem Mörder stammten  – obgleich das unwahrscheinlich erschien. Doch wenn die Botschaft, die an Hollys Gartentor hinterlassen worden war, doch von dem Mörder verfasst worden war und Danny Marsh sie nicht geschrieben hatte, dann ergab zwei plus zwei vier, und Danny Marsh konnte nicht der Mörder sein.
    Und bei diesem Gedanken war es Marvel, als würde er möglicherweise still und leise verrückt.
    Er war es gewohnt, in diesem Stadium einer Ermittlung das Gefühl zu haben, dass er alles vollkommen unter Kontrolle hatte. Hier jedoch war er so weit davon entfernt, alles unter Kontrolle zu haben, das er gar nicht mehr wusste, wie sich das anfühlte.
    Das lag an diesem Dorf, da war er sich sicher.
    In Shipcott kam er sich abgeschnitten und verloren vor. Er saß in diesem aufgemotzten

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