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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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himmlisches Manna. Die Sorte Beweis, von der er sich vorstellen konnte, dass die Dienstaufsichtsbehörde sie ganz oben auf den Stapel legte. Die behinderte Ehefrau eines diensttuenden Polizisten beschuldigte Marvel, sich ungebührlich verhalten zu haben und im Dienst betrunken gewesen zu sein.
    Hervorragend.
    Reynolds seufzte, versah seine Notizen von dem Telefonat mit dem Datum und schob sie mit einem Gefühl tiefer Selbstzufriedenheit ordentlich in einen Aktendeckel. Er
war gestresst, und die Haare gingen ihm aus, während er versuchte, seinen und Marvels Job zu machen, doch sobald er auch nur einen Augenblick erübrigen konnte, würde er Lucy Holly aufsuchen, ihre eidesstattliche Erklärung zu Protokoll nehmen und sie dem Rest des Materials hinzufügen, das er im Laufe des letzten Jahres gegen seinen DCI zusammengetragen hatte.
    Nur keinen Neid, Sergio Leone.

1 Tag
    Es war nach fünf, und Marvel saß mit einem Glas voll Pisse im Red Lion, die sich als alkoholfreies Bier ausgab.
    Sonst hatte er niemanden aufgefordert, ihm bei einem Feierabendschluck Gesellschaft zu leisten. Die ganze Bande hing ihm zum Hals raus, und noch mehr hing es ihm zum Hals raus, hier in Shipcott festzusitzen und sich anscheinend Fußbrand eingefangen zu haben.
    Jos Reeves rief an, um ihm mitzuteilen, dass die Fußabdrücke in den Plastiktüten, die sie in dem Innenhof gefunden hatten, nicht identifiziert werden konnten. Nicht viel mehr als verschmierte Schlammschlieren.
    Marvel brachte nicht einmal genug Energie auf, um ihn anzupöbeln.
    Jemand hinkte unbeholfen durch sein Gesichtsfeld, und Marvel schaute genauer hin. Der junge Mann hatte das Aussehen eines Menschen, der in Sachen Körpergewicht und Alkoholkonsum rasch zugelegt hatte  – das Gesicht gerötet und das überschüssige Fett um Bauch und Kinn verteilt.
    »Was gibt’s ’n da zu glotzen?«, fragte Neil Randall.
    »Haben Sie ein Holzbein?«, fragte Marvel zurück.
    Der junge Mann war verdattert. Er war es gewohnt, dass die Leute rot wurden und zu stammeln anfingen, wenn er sie zur Rede stellte.
    »Ja«, sagte er.
    Dann fiel ihm wieder ein, dass er feindselig gestimmt war, und er fügte hinzu: »Woll’n Sie da jetzt was draus machen?«
    Marvel widerstand dem Drang, irgendetwas von wegen Spielzeugboote schnitzen zurückzufauchen, und zuckte lediglich
die Achseln. Der junge Mann war eindeutig in der Defensive. War bestimmt beschissen, ein Bein zu verlieren. Vielleicht den Beruf aufzugeben. Behindertenrente zu kriegen. Anderen zur Last zu fallen …
    Zur Last. Margaret Priddy war anderen zur Last gefallen. Deswegen hatte er Peter Priddy ja schließlich so »vielversprechend« gefunden, oder? Yvonne Marsh war ihrem Mann und ihrem Sohn zur Last gefallen. Doch die drei Opfer in der Sunset Lodge … konnte man die nicht auch als Belastung für ihre Angehörigen betrachten? Zumindest als finanzielle Belastung?
    Vielleicht brachte es der Mörder nicht über sich, seine eigene Belastung zu töten, und ließ das an anderen aus?
    Marvel spürte, wie seine Haut richtig kribbelte. Er war sich so sicher, auf der richtigen Spur zu sein, und sein Instinkt trog ihn nur selten.
    Hand in Hand mit dieser Überzeugung kam das ungute Gefühl, dass das hier Reynolds’ Territorium war. Reynolds und seine geliebte Kate Gulliver mit ihrem sentimentalen Weichei-Scheiß von Kindheit und Übertragung und Repression und Schuldgefühlen.
    Er starrte Neil Randalls Hinkebein an, ohne es zu sehen, während der Mann durch den Pub humpelte und vor dem Spielautomaten stehen blieb.
    Und dann überkam DCI John Marvel ein weiteres, sogar noch stärkeres Kribbeln, als er zwei und zwei zusammenzählte und etwas herausbekam, das für ihn doch sehr nach vier aussah …
    War Lucy Holly nicht eine Belastung für ihren Mann?
    Er stellte sein sogenanntes Bier so schnell auf den Tresen, dass es überschwappte, und erhob sich.
    Er musste zurück in sein Zimmer. Er musste wirklich allein sein, um ganz klar nachzudenken. Er musste sich das alles aufschreiben und kleine Kästchen malen und sie mit schlussfolgernden Kugelschreiberlinien verbinden. Er musste
absolut sicher sein, ehe er Reynolds diese Theorie unterbreitete, um dem Scheißkerl möglichst wenige Chancen zu geben, sie zu durchlöchern.
    Und mehr als alles andere brauchte er dazu etwas Richtiges zu trinken.
     
    Jonas zerrte gerade den Kopf eines Schafes aus einem Baum.
    Er hatte sich etliche Minuten lang vergeblich bemüht, das sich heftig wehrende, eisbedeckte

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