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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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daneben.
    Scheiße.
    Da Anschleichen nunmehr sinnlos war, krachte Jonas heftig durch die Haustür.
    »Lucy!«
    Keine Antwort.
    Bitte sei okay. Bitte, bitte, bitte.
    Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer.
    Lucy saß im freundlichen Schein des Feuers auf dem Sofa. Ihre Augen waren geschlossen, und ihr Kopf ruhte auf dem Troddelkissen.
    Jonas stieß einen gewaltigen Luftschwall aus, von dem ihm gar nicht bewusst gewesen war, dass er ihn angehalten hatte. Ihr war nichts passiert. Es ging ihr gut. Wahrscheinlich hatte der Fahrer darum gebeten, telefonieren zu dürfen, das war alles …
    Die Hintertür fiel leise ins Schloss.
    Jonas’ Herz pumpte einen Schub pures Eis in seinen Körper. Sogar in den Zähnen konnte er es spüren.
    Er schnappte sich den Schürhaken vom Kamin und stürzte in die Küche.
    Leer.
    Mit drei Schritten war Jonas durch die Küche und riss die Hintertür auf. Im Licht, das aus der Küche drang, waren die Fischgrätspuren leicht zu erkennen.
    »Jonas?«
    Er achtete nicht auf Lucy und rannte wieder in die Nacht hinaus. Sobald er außer Reichweite der Küchenlampe war, verlor er die Spur, doch er rannte trotzdem weiter, vorbei an dem schneegekrönten VW-Käfer, auf die Straße hinaus und den Hügel hinunter.
    Im zuckenden Lichtstrahl der Taschenlampe sah er den
undeutlichen Umriss eines Mannes, der durch den schnell herabrieselnden Schnee um sein Leben rannte. Er war schnell, aber Jonas holte auf.
    Und dann plötzlich nicht mehr.
    Er rutschte aus und ging schwer zu Boden; die Taschenlampe flog ihm aus der Hand. Beim Aufstehen rutschte er abermals zur Seite weg. Das war entscheidend. Noch während er sich erhob, hörte Jonas die Autotür zuschlagen. Wie durch einen schneeweißen Wasserfall rannte er blindlings auf das Geräusch zu, doch der extrem zuverlässige japanische Motor sprang beim ersten Versuch an und jaulte heftig auf, als die Räder durchdrehten und dann Halt fanden. Die Scheinwerfer wurden nicht eingeschaltet; Jonas sah den Wagen nicht einmal davonfahren.
    Keuchend stand er am Fuß des Hügels. Er hatte sich vorhin nicht einmal das Kennzeichen des Toyotas notiert. Etwas ganz Elementares.
    Elementar.
    Er stieg in den Land Rover und rumpelte den Hügel wieder hinauf nach Hause.
    Dort betrat er das Haus durch die noch immer offen stehende Hintertür.
    »Jonas?«, rief Lucy ängstlich vom Wohnzimmer her.
    »Ist schon gut, Lu«, rief er und schloss die Tür hinter sich ab. Jetzt, wo er aufgehört hatte, auf die Gefahr zu reagieren, und angefangen hatte nachzudenken, traf ihn der Schock einer abgewendeten Katastrophe wie ein Schlag, und er musste sich auf den Küchentresen stützen und sich vornüberkrümmen, um wieder zu Atem zu kommen.
    Der Mörder war hier gewesen.
    Hier, im Rose Cottage.
    Während Lucy ahnungslos auf dem Sofa schlief, war der Mörder in ihr Haus gekommen.
    Hatte er sie gesehen?
    Hatte er schon über seinem lebendigen Opfer gestanden und überlegt, wie er sie am besten töten könnte?

    Hatte er ihr Haar berührt und gewusst, dass die hier die Nächste sein würde?
    Jonas schauderte und merkte, dass er am ganzen Leib zitterte.
    Er durfte jetzt nicht schlappmachen.
    »Jonas?«
    Er konnte es ihr nicht sagen, das würde sie zu Tode ängstigen. Sie durfte nie erfahren, was für Scheiße er gebaut hatte oder wie nahe daran sie gewesen war, umgebracht zu werden. Er würde mit den Nachtstreifen aufhören. Verdammt, wenn er könnte, würde er auch tagsüber das Haus nicht mehr verlassen! Wie hatte er nur so blöd sein können? Wie hatte er nur losziehen können, um das Dorf zu beschützen, und Lucy dabei allein zurücklassen können? Das Kostbarste, was er auf der ganzen großen Welt besaß! War er denn total wahnsinnig?
    Plötzlich dachte Jonas, dass er vielleicht wirklich wahnsinnig war. Dass er vielleicht wahnsinnig war, seit er Lucy hinter der Tür gefunden hatte, in ihrem rosa Flanellpyjama und den witzigen Hasenschlappen, die er ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten gekauft hatte. Oder vielleicht auch schon vorher  – vielleicht seit sie beide im Sprechzimmer dieses Arschlochs von Arzt gesessen hatten und er ihnen eröffnet hatte, dass Lucy Holly, seine vollkommene Ehefrau und seine beste Freundin, die nächsten paar Jahre damit zubringen würde, vor seinen Augen zu sterben. Oder war es so, seit seine Eltern ihn beide verlassen hatten? Eben noch da, dann auf einmal weg. Ihr makelloses kleines Auto bei einem Frontalzusammenstoß augenblicklich in einen Schrotthaufen verwandelt,

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