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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Lächeln deutlich besser machte.
    »Ich möchte, dass du das hier nimmst«, sagte sie, stand auf und kramte in einem Schrank. Sie holte eine Dose heraus, nahm unter einigen Schwierigkeiten den Deckel ab und reichte ihm dann ein dickes Bündel Zwanzig-Pfund-Noten, also nahm er es, obwohl sich ihm dabei der Magen umdrehte. Es erinnerte ihn daran, wie seine Nan mit Klebestreifen Namen an ihre ganzen Nippes klebte, damit sie auch alle wussten, wer was bekam, wenn sie starb.
    Dann sagte Mrs. Holly: »Danke« und: »Mach’s gut« und umarmte ihn so fest, dass es ihm Tränen aus den Augen quetschte, die seine Nase entlangrollten und auf ihren blauen Pullover fielen.

     
    Auf halbem Weg den Hügel hinunter blieb Steven stehen, zog die Geldscheine aus der Tasche und fächerte sie auf. Selbst im Dunkeln konnte er erkennen, dass es ungefähr sechshundert Pfund waren.
    Er holte aus und schleuderte die Scheine mit aller Kraft in den Nachthimmel, wo der beißende Wind sie davonriss.
    Dann senkte er den Kopf und ging weiter, in einem Blizzard aus Schnee und Geld.
     
    Nachdem Steven gegangen war, nahm Lucy das Messer, das Jonas ihr gegeben hatte, und mühte sich damit langsam die Treppe hinauf. Steven hatte die Schranktür offen stehen und ein paar von Jonas’ Uniformhosen auf dem Bett liegen lassen. Lucy lehnte ihre Krücken gegen die Wand und machte sich daran, sie wieder zusammenzufalten und wegzuräumen. Die vertraute Anstrengung dieser Aufgabe wärmte und beruhigte sie.
    Ein verirrter Schluchzer entleerte sich mit dem letzten Atemzug des unverhofften Dramas.
    Sie machte ihm keine Vorwürfe.
    Er hatte sich so abgerackert, um sie in Gang zu halten, unter solchem Druck. Niemand hätte das besser machen können als Jonas. Er war so stark, so geduldig.
    Das mit den Tabletten war ein bitterer Schlag gewesen, und das Gefühl, ihm gegenüber versagt zu haben, war allumfassend. Ihre Schande war fast nicht zu ertragen. Sie konnte nicht richtig leben, und sie hatte es nicht einmal geschafft, richtig zu sterben.
    Und eine Zeitlang hatte sie beinahe geglaubt, dass sie es nie wieder versuchen würde. Kontakt zu Exit aufzunehmen war anfangs nur eine Rückversicherung gewesen. Damit sie besser wüsste, wie sie es anstellen sollte, wenn es unerträglich wurde. Brian Connor hatte ihre Optionen mit ihr durchgesprochen, und es war eine Erleichterung, nicht so zu tun, als würde sie es niemals in Erwägung ziehen. Doch sie versteckte
diesen Gedanken und machte weiter. Kämpfte weiter. Erzählte ihrer Mutter weiterhin, dass es ihr immer besser ginge. War weiter die Lucy, die alle kannten und liebten.
    Und dann hatte Marvel das gesagt.
    Und sie hatte begriffen, wie die Welt sie sah. Dass sie an irgendeinem nicht klar auszumachenden Punkt aufgehört hatte, Lucy Holly zu sein  – Lehrerin, Tochter, Sportlerin, Freundin, Ehefrau, Geliebte  –, und das geworden war. Sie konnte die Worte nicht einmal denken. Es erstaunte sie, dass sie sie bei dem Telefonat mit Reynolds herausgebracht hatte, und sie dachte, dass sie wohl wütender gewesen war als je zuvor in ihrem Leben, um das zu schaffen.
    Sie hoffte, dass Jonas bald nach Hause kommen würde. Er war der Einzige, bei dem sie sich nie so gefühlt hatte. Sie wusste, dass er sie aus Angst und Schmerz geschlagen hatte, und der Schmerz in ihrer Lippe war gar nichts im Vergleich zu dem, was er, wie sie sehr wohl wusste, dabei empfinden musste, dass sie vorhatte, ihn allein zu lassen. Bei dem Gedanken, sie könnte ihn allein lassen wollen.
    Die Traurigkeit war ein dumpfer Schmerz, und sie drückte eine seiner Uniformhosen an ihre Wange und spürte, wie ihre Wimpern den rauen Stoff streiften.
    Als sie den Kopf hob und sich anschickte, die Hose fortzuräumen, bemerkte Lucy, dass daran ein Knopf fehlte.

Der letzte Tag
    Jonas hob das Gesicht zum Himmel und spürte, wie die federleichten Schneeflocken auf seiner Haut langsam zu heißen Nadeln wurden. Er öffnete die Augen und stellte überrascht fest, dass er im Badezimmer des Rose Cottage unter der Dusche stand.
    Er schüttelte sich. Bestimmt war er geistig abgedriftet und hatte vor sich hin geträumt.
    Verblüfft fiel ihm auf, dass er die Rollos der beiden kleinen Fenster nicht zugezogen hatte. Das war für ihn zur Gewohnheit geworden, seit er damals auf dem Zauntritt auf der anderen Seite des Tals gestanden und genau in diesen Raum geblickt hatte. Aber wie dem auch sei, es war spät  – nach Mitternacht, schätzte er –, und im Badezimmer waberte

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