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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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zu verlieren, den er so sehr liebte, natürlich schwach und verwundbar fühlte. Doch irgendetwas in ihm fand das einfach nur jämmerlich, und er hasste sich deswegen.
    Schließlich öffnete er die Augen und schaute blinzelnd auf die monochromen Heiligenscheine, die die Sterne über ihm und die Straßenlaternen unter ihm umgaben. Er bemühte sich nicht, wieder klar sehen zu können  – verschwommen war fürs Erste ganz schön. Selbst verschwommen war ihm das Dorf vertraut. Er kannte das Licht, das die Beleuchtung des Pubs war, und das über der Bushaltestelle. Dreißig Meter unterhalb von ihm war der gelbe Lichtfleck von Linda Cobbs Küche und Margaret Priddys lichtloses Cottage.
    Ein Licht funkelte allein über das karstige Moor  – abseits der anderen. Jonas konzentrierte sich darauf und atmete tief und gleichmäßig. Langsam, langsam vergingen die Spinnweben um dieses einzelne Licht, und er sah, dass es ein gelbliches Fenster ohne Vorhänge war, jenseits der Straße, gerade eben noch sichtbar über der unregelmäßigen Silhouette einer Hecke, die das Fenstersims verdeckte.
    Er blickte auf das Dorf hinunter und orientierte sich, dann sah er wieder zu diesem einzelnen blassgelben Fenster hinüber.
    Und fühlte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte.
    Von hier aus.
    Nur von dieser Stelle aus.
    Von dem Zauntritt vor dem Haus der Trewells aus konnte Jonas Holly geradewegs in sein eigenes Badezimmer blicken.

12 Tage
    Als er sich schließlich entschlossen hatte, kam der Schnee mit voller Wucht.
    Die ersten Flocken trudelten wie verirrte kleine Sterne vom schwarzsamtenen Nachthimmel, und binnen Minuten regneten wahre Galaxien auf das Exmoor herab. Ohne einen Windhauch, um sie zu verwehen oder zu bremsen, ergossen sich eine Milliarde zersplitterte Lichtpünktchen aus dem Himmel, um schließlich unter dem Mond als strahlender Teppich aus schweigendem Weiß wieder vereint zu sein.
     
    Marvel wachte auf, und eine Katze starrte ihm aus ungefähr fünf Zentimetern Entfernung unverwandt in die Augen. Er fuhr zusammen, und das Tier grub die Krallen in seine Brust, hielt ihn dort fest, wo es ihn haben wollte.
    »Hau ab«, schnauzte er, doch die riesige graue Pelzkugel blinzelte bloß mit ihren orangegelben Augen und sah ihn verächtlich an. Die Krallen zog sie ein wenig ein, doch sie hatte eindeutig nicht die Absicht, demnächst das Feld zu räumen.
    Marvel drehte schmerzhaft den Kopf und stellte fest, dass er auf Joy Springers vollgehaartem Küchensofa schlief und seine Beine nicht spürte. Wegen der Katze konnte er sie nicht sehen, was den surrealen Eindruck nur verstärkte, dass seine Beine so ziemlich überall sein könnten. Er griff nach unten und berührte seinen Oberschenkel. Oder das, wovon er annahm, dass es sich um seinen Oberschenkel handelte  – er hatte keinerlei Gefühl in dem Klumpen, den seine Finger durch seine Anzughose ertasteten.
    Das Licht war sonderbar gedämpft, als hätte jemand einen
blassen Schleier über die Fenster gezogen, während er geschlafen hatte. Das trug noch zu dem Gefühl der Fremdartigkeit bei, das er dabei empfand, ohne Beine aufzuwachen.
    Es war spät geworden in der mobilen Einsatzzentrale. Eine lange Schicht mit dem Geruch von Flaschengas. Er hatte die Mitglieder des Teams weit über ihre Schlafenszeit hinaus wachgehalten und eine Strategie für die beiden Ermittlungen entworfen, die Sitzung in die Länge gezogen, obwohl er sich nach einem Drink sehnte. Zum Glück war Reynolds auf Draht. Der und sein beschissenes kleines Notizbuch, dachte Marvel missmutig.
    Dann war er zur Farm zurückgekommen und hatte festgestellt, dass Joy Springer, obwohl er ihr Geld für eine Flasche Whiskey gegeben hatte, stattdessen zwei Flaschen Cinzano gekauft hatte, ein Zeug, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass es überhaupt noch hergestellt wurde.
    »Hau ab!« , brüllte er der Katze ins Gesicht, und nach einem rebellischen kleinen Zögern erhob sich das Tier gemächlich, grub ihm zum Abschied noch einmal die Krallen ins Fleisch und stakste dann mit emporgerecktem Schwanz seinen Körper hinunter, so dass Marvel an seinem verkniffenem Arschloch genau ablesen konnte, was es von ihm hielt.
    Mühsam stemmte er sich auf die Ellenbogen und schaute auf seine Beine hinunter, die in ihrer Lähmung keinerlei Verbindung zu seinen Hüften zu haben schienen. Er musste sich tatsächlich vorbeugen und seine Füße auf den Boden befördern, damit er sich aufsetzen konnte. Dabei bemerkte er, dass er seine Schuhe

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