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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Marvel.
    Der plötzliche Schwenk erwischte Jonas auf dem falschen Fuß.
    »Wie bitte, Sir?«
    »Diese Drecksäcke im Labor lachen sich Ihretwegen über mich kaputt, kapieren Sie das?«
    Jonas kapierte in der Tat  – dass Marvel ein unsicheres Arschloch war.
    Also sagte er: »Ja, Sir, ich verstehe.« Und erinnerte Marvel dann behutsam: »Aber ich habe mich vergewissert, dass ich keinen Knopf verloren hatte, und ich war doch an beiden Tatorten …« Der unverändert finstere Blick, mit dem Marvel ihn fixierte, ließ ihn verstummen.
    Marvel blickte zu Jonas Holy hinauf… und noch weiter hinauf. Der Gesichtsausdruck des jungen PC verriet absolute Aufrichtigkeit … sogar Gekränktheit. Marvel schürzte die Lippen. »Das ist Ihre letzte Chance, Holly. Bauen Sie noch mal solchen Scheiß, und …«
    »Ich habe keinen Scheiß gebaut«, verwahrte Jonas sich scharf und fügte dann ein bedachtes »Sir« hinzu.
    Dass er plötzlich so viel Rückgrat bewies, überraschte Marvel, doch das zog bei ihm nicht. Er war so dermaßen scheißwütend darüber, dass nichts voranging, und dann hatte dieser Dreckskerl von Reeves sich auch noch durchs Telefon über ihn bekichert wie ein Hippie … Jonas Holly anzubrüllen war, als trete man nach der Katze: befriedigend, auch wenn es überhaupt nichts brachte.
    »Nicht in diesem Scheißton, Holly.«
    Jonas wusste, dass er jetzt einen Rückzieher machen oder einen offenen Krieg gegen einen ranghöheren Beamten führen musste, der fast vollständige Macht über ihn hatte. Also
schluckte er etwas von seinem Stolz hinunter und sagte: »Entschuldigung, Sir.«
    Marvel grunzte und legte den Gang ein.
    »Sie sollten lieber anfangen, Ihren Job ein bisschen ernster zu nehmen, solange Sie noch einen haben.«
    Mit einem Ruck fuhr er los, ehe Jonas etwas erwidern konnte, und zwang ihn damit, hastig zur Seite zu treten.
    Jonas sah zu, wie der Wagen im Schnee ein wenig schlingerte. Er wusste, dass das eine leere Drohung war, doch es machte ihn trotzdem nachdenklich.
    Er würde sich bei Marvel vorsehen müssen.
     
    A & D MARSH AUTOREPARATUREN stand auf dem Schild an der vertrauensvoll unverschlossenen Tür des baufälligen Blechschuppens.
    Drinnen war es düster, und Reynolds tastete an der Wand neben der Tür herum, bis er den Lichtschalter fand, dann betrachtete er seine mit schwarzer Schmiere bedeckten Finger.
    »Wonach suchen wir, Sir?«
    »Nach Beweisen.«
    Reynolds wusste, dass er sich gar nicht die Mühe hätte machen sollen zu fragen. Marvel wusste ebenso wenig wie er, was sie hier möglicherweise finden würden. Wahrscheinlich hatte er nicht die geringste Ahnung. Im Haus der Marshs hatte die arme Elizabeth Rice dieselben Anweisungen bekommen. »Stöbern Sie einfach ein bisschen rum«, hatte Marvel zu ihr gesagt.
    Denn fürs »Herumstöbern« brauchte man augenscheinlich keinen dämlichen Durchsuchungsbefehl.
    Reynolds hatte das beständig stärker werdende Gefühl, dass sie allesamt auf der Stelle traten. Sie hatten keine Fingerabdrücke und  – was noch seltsamer war  – keine Fußspuren. Nur schmutzige Schlieren und undeutliche Abdrücke auf dem Teppich. Ihre forensischen Hoffnungen hingen noch immer an jenem einzelnen, nicht identifizierten Haar
von dem Margaret-Priddy-Tatort, doch wenn das von Peter Priddy oder irgendjemand anderem stammte, der sich in offizieller Funktion dort aufgehalten hatte, dann waren sie wieder genauso weit wie zuvor.
    Als Marvel ihm von dem Jonas-Holly-Bindeglied erzählt hatte, hatte Reynolds ein paar unbestimmte Mitgefühlslaute von sich gegeben und sich mental auf Hollys Seite geschlagen.
    Es war typisch für Marvel, jemanden zusammenzuscheißen, bloß weil er seinen Job machte.
    Hier in der Werkstatt empfand Marvel  – zum ersten Mal, seit er nach Shipcott gekommen war  – eine Art Verbundenheit mit jemandem von hier. Es mochten ja Tatverdächtige sein, aber das war doch wenigstens etwas.
    Als Junge hatte er Busfahrer werden wollen. Nicht weil er den Kriechverkehr auf der Oxford Street ertragen oder in einem zehn Kilometer langen Stau auf der Edgware Road stecken bleiben wollte. Nein, wenn Marvel sich als kleiner Junge sein Leben als Busfahrer ausmalte, dann hatte er sich immer vorgestellt, wie er gebückt dastand, den Kopf in dem gewaltigen Motorraum und den Schraubenschlüssel in der Hand. Was angesichts von Londons betagten Bussen wahrscheinlich durchaus nicht abwegig gewesen wäre, überlegte er nüchtern, wenn er an jene Zeiten

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