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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Mauer raschelten, und zerlegte Pappkartons, die im Schnee weich geworden waren.
    Reynolds ging auf, dass dies die Gasse sein musste, von der Jonas ihm erzählt hatte  – die, wo ihm der Fremde entwischt war. Er hatte den jungen Polizisten nicht ernst genommen. Hatte den Bericht als Provinzparanoia abgetan und sich das Ganze nur aufgeschrieben, damit Jonas das Gefühl hatte, dass man ihm zuhörte. Aus diesem Grund hatte er auch Marvel nichts davon erzählt.
    Natürlich bereute Reynolds das. Doch die Vorstellung, es ihm jetzt zu sagen und einen Riesenanschiss zu kassieren, war alles andere als reizvoll.
    Sie gingen zurück zur Straße. Jetzt kamen regelmäßig Leute vorbei, und der Schnee auf dem Gehsteig vor dem Laden schmolz in schmutzig braunen Placken. Die Spuren, die sie selbst zurückgelassen hatten, waren bereits so gut wie ausgelöscht. Abdrücke aus den frühen Morgenstunden wären jetzt mit Sicherheit verschwunden.
    Marvel trat auf die Straße hinaus und schaute trübsinnig erst in die eine und dann in die andere Richtung, als könne er den Mörder vielleicht immer noch ausmachen.
    »Mist«, sagte er noch einmal.
    »Augenblick«, stieß Reynolds mit jäher Dringlichkeit hervor. Er deutete zu dem Innenhof zurück, wo die SPAR-Tüten an der Wand flatterten.

    »Zwei Plastiktüten.«
    »Sie haben Müll gefunden«, stellte Marvel fest. »Gut gemacht, Reynolds. Dafür bekommen Sie einen Scheißorden!«
    Reynolds achtete nicht auf ihn. »Zwei Tüten, zwei Füße! Er zieht sich die Tüten über die Füße, um keine identifizierbaren Spuren zu hinterlassen. Dann kommt er hier rein und nimmt sie ab …«
    »… und geht wieder in den Matsch raus und verschwindet«, beendete Marvel den Satz.
    Reynolds streifte Handschuhe über und hob die Tüten auf. »Das heißt, in den Tüten könnten Fingerabdrücke sein.«
    Reynolds sah ungemein zufrieden aus, doch nicht einmal das konnte verhindern, dass Marvels Stimmung sich hob.
    Sie starrten die weißen Tüten mit dem rot-grünen Logo an und fragten sich, ob diese merkwürdige kleine Szene vielleicht bedeutete, dass sich ihr Geschick zum Besseren wendete.
     
    Im grauen Morgenlicht sah der Schnee auf dem Moor stumpf und verbraucht aus, und der schmale Straßenstreifen war nur eine langgezogene Delle in der holprigen Landschaft. All das Weiß wirkte desorientierend, und Jonas musste sich anstrengen, um sich auf den Weg vor ihm zu konzentrieren. Es war, als hätten das Moor und der Mörder sich verschworen, ihn zu verwirren, als bedienten sie sich optischer Täuschungen, um die Wahrheit über die Morde und die Landschaft gleichermaßen zu verwischen. Eine Schneedecke hatte sich auf Shipcott herabgesenkt, doch unter dieser reinen Hülle war etwas Dunkles und Böses am Werk, ungesehen und ungehindert.
    Jonas dachte an die Botschaften, die ihn zuerst auf eine Unterströmung des Unfriedens aufmerksam gemacht hatten.
    Er dachte an dieses prickelnde Gefühl, dass er beobachtet wurde. Überwacht.
    Dass über ihn geurteilt wurde.

    Er dachte daran, wie er in das kleine gelbe Viereck gestarrt hatte, das sein eigenes Badezimmerfenster war, während er wie ein kalter Riese unter dem sternenübersäten Himmel gestanden hatte. An den alterssteifen Windhund mit den trüben Augen. Und an den Mann mit dem Hut und den Fischgrätsohlen, der ihm entwischt war.
    Er erinnerte sich an die brüchige Hoffnung in Danny Marshs Augen, während das schmutzige Pferd hinter ihm tänzelte, und an die irrationale Angst, dass er persönlich bedroht sei. Dass, wenn die Hoffnung in Dannys Augen zerbrach, die Splitter auch ihn durchbohren würden, und dass er Danny um jeden Preis aufhalten musste, und sei es mit den Fäusten.
    Jonas kämpfte gegen jäh aufsteigende Panik an, und der Land Rover schlingerte zur Seite und holperte über unsichtbares Heidekraut. Er hob den Fuß, umklammerte das Lenkrad und trat mit voller Wucht auf die Bremse. Der Motor erstarb, und Jonas saß einen Augenblick lang einfach nur da, weit oberhalb von Withypool, und hörte zu, wie sein eigenes raues Atmen die Stille störte, während er ganz langsam verhinderte, dass er völlig aus den Fugen ging.
     
    Nachdem sie den Leuten von der Spurensicherung in der Sunset Lodge die Plastiktüten ausgehändigt hatten, trafen sich Marvel und Reynolds bei Gary Liss zu Hause mit Grey und Singh  – diesmal, um bei ihm einzubrechen. Sie hatten eine Ramme dabei, doch nachdem sie angeklopft hatten, war es selbst Marvel unangenehm, das Ding mitten in

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