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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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sie müsste sie nicht wie Tatverdächtige behandeln, während sie von ihren Cornflakes aß.

     
    »Sie ist super«, stellte Reynolds fest, als er das Gespräch mit Kate Gulliver beendet hatte.
    »Das werden wir ja sehen«, brummte Marvel und spülte gebrauchte Kaffeefilter in der Chemietoilette des mobilen Einsatzzentrums hinunter.
    »Sie sagt«, fing Reynolds an und blätterte in seinem Notizbuch, bis er die richtige Stelle gefunden hatte. »Sie sagt, die Fixierung auf alte Leute ist höchstwahrscheinlich das Resultat eines Grolls gegen ein oder beide Elternteile.« Er blickte zu Marvel auf, der die Augen verdrehte und ein leises »Sonst noch was Neues?«-Geräusch von sich gab.
    Reynolds ließ sich nicht beirren. »Gary Liss musste doch seinen Job aufgeben, um seinen Vater zu pflegen, nicht wahr?«
    »Und Peter Priddy musste seine Erbschaft drangeben, um die Pflege seiner Mutter zu bezahlen«, hielt Marvel dagegen. Eigentlich wusste er nicht, was ihn dazu trieb, Reynolds auch dann zu widersprechen, wenn er seiner Meinung war. Er hoffte, dass kritische Wortwechsel den Ermittlungen guttaten, hegte jedoch den heimlichen Verdacht, dass dem nicht so war. Er musste unbedingt versuchen, diese Neigung zu unmotivierter Pampigkeit zu zügeln.
    »Nun ja, schon«, erwiderte Reynolds, durch den flüchtigen Kontakt mit einem Intellekt, den er als dem seinen ebenbürtig erachtete, großzügig geworden. »Aber ihre Hypothese besagt, dass das Ganze möglicherweise über materielle Entbehrung hinausreicht, in den Tatbestandsbereich der körperlichen oder psychischen Misshandlung.«
    Der Tatbestandsbereich der körperlichen oder psychischen Misshandlung. Der Tatbestandsbereich! Ganz im Ernst, manchmal hatte Marvel große Lust, Reynolds einfach eine zu knallen und es hinter sich zu bringen. Jetzt wünschte er sich, er hätte selbst mit Kate Gulliver gesprochen; die machte sich zwar ebenfalls geradezu lächerlich wichtig, aber wenigstens wäre er jetzt derjenige, der Informationen an Reynolds weitergäbe, und nicht umgekehrt.

    »Also könnte Liss von seiner Mutter verprügelt worden sein und jetzt aus Rache anderer Leute Mütter umbringen. Laienhaft ausgedrückt.«
    »Genau. Oder Väter. Denken Sie an Lionel Chard.«
    Das tat Marvel. Und das rückte die Dinge tatsächlich in ein neues Licht. Serienmörder hielten sich im Allgemeinen innerhalb bestimmter Parameter, was ihre Opfer anging. Jungen oder Mädchen im Teenageralter oder Prostituierte mit grünen Augen. Das Geschlecht der Opfer war oft ein unabänderlicher Faktor.
    »Wenn Liss also ein Serienmörder ist, dann ändert er seine Parameter, oder er hatte von vornherein andere.«
    »Genau.«
    »Er ändert seine Parameter und seine Vorgehensweise.«
    »Ja«, sann Reynolds, nunmehr etwas weniger zuversichtlich. »Vielleicht zwei Mörder? Die zusammenarbeiten? Wir haben doch diesen Fußabdruck im Haus der Marshs.«
    Marvel schnitt eine Grimasse, die besagte, dass er nicht gerade verliebt in diese Theorie war.
    »Oder vielleicht ist es ja auch gar kein Serienmörder. Kate sagt, ein paar Elemente kommen ihr mehr vor wie bei einem Amokläufer, wegen des kompakten Tatzeitrahmens und der Anzahl der …«
    »Die greift doch nach Strohhalmen«, fiel Marvel ihm ins Wort.
    »Tun wir doch auch.« Reynolds ging in die Defensive.
    »Als Nächstes behaupten Sie noch, Liss hatte von Peter Priddy und Alan Marsh die Erlaubnis zum Töten.«
    Reynolds sah tief gekränkt aus. »Ich versuche nur, jede Möglichkeit zu erörtern, das ist alles. Ich bemühe mich nur zu helfen.«
    »Ich weiß«, seufzte Marvel; damit war er näher daran als je zuvor, sich bei Reynolds für irgendetwas zu entschuldigen  – sogar näher als damals, als er ihm mit dem Ford Focus über den Fuß gefahren war.

    Ermutigt setzte Reynolds seine Ausführungen fort. Während er den Mund auf- und zuklappte wie einer seiner kostbaren Zierfische, hörte Marvel auf, zuzuhören und fing an nachzudenken.
    Er war sich bei diesem Fall ziemlich verloren vorgekommen, doch jetzt hatten sie einen waschechten Verdächtigen. Wenige Dinge wiesen so eindeutig auf einen Täter hin wie die Flucht vom Schauplatz eines Mordes. Das war schwer zu rechtfertigen, und Marvel spürte, wie die Erleichterung ihn durchströmte wie Alkohol.
    Gary Liss.
    Endlich!
    Ein Altenpfleger. Die Statistik zeigte, dass die als Serienmörder durchaus nicht unwahrscheinlich waren. Langeweile und Abscheu, die sich als Barmherzigkeit tarnten.
    Allerdings wählten Kranken-

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