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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Keksdose ausstreckte, mit einem knochigen Finger darin herumstocherte, dann den Keks an den Altfrauenmund hob …
    Marvel trat um Angell herum und packte das Handgelenk der Frau.
    »Oh!«, stieß sie hervor und ließ den Keks fallen. Er fiel auf ihre Brust und dann auf ihren Schoß. Ein Schokoladenkeks.
    Marvel drehte ihre Hand herum, als wolle er aus ihrer Handfläche lesen. Mitten darauf war eine Schmutzschliere. Rotbraun. Es hätte Schokolade sein können.
    »Reynolds!«
    Marvel wandte sich an Angell. »Holen Sie mir meinen Sergeant. Sofort!«
    Dann sah er wieder die verschreckte alte Frau an. »Wie heißen Sie?«
    »Mrs. Betty Tithecott«, antwortete sie mit zitternder Stimme.
    »Lassen Sie sie in Ruhe«, verlangte Trinny von nebenan.
    Marvel achtete nicht auf Trinny und schlug einen sanfteren Tonfall an, hielt aber noch immer die sich windende Hand fest. »Ich muss mir nur mal Ihre Hand ansehen, Betty, in Ordnung? Ich tue Ihnen nichts.«
    Sie sah ihm in die Augen und nickte. Ihre Hand entspannte sich.
    »Dieser Fleck da«, sagte er. »Was haben Sie angefasst?«
    »Gar nichts«, beteuerte Betty; ihre Augen waren wässrig und verwirrt.

    An der Innenseite ihres Daumens war ein ähnlicher, kleinerer Fleck.
    Lynne Twitchett kam ein wenig nervös auf sie zu. »Stimmt was nicht?«
    »Doch«, wehrte Marvel schroff ab und hörte, wie Reynolds ins Zimmer geeilt kam.
    »Was gibt’s, Sir?«
    Marvel drehte die Hand um, so dass Reynolds die Innenfläche sehen konnte, und hörte erfreut einen verblüfften Fluch. Dann rieb er mit dem Daumen über die Schliere, und ein wenig von der Farbe blieb hängen. Was immer Betty berührt hatte, es war erst vor Kurzem geschehen.
    »Sie sagt, sie hat nichts angefasst. Schauen Sie sich mal um, ja?«
    Reynolds tat es, er überprüfte die Armlehnen des Sessels, die Lehne, die Handgriffe eines Rollators, der startbereit ein kleines Stück entfernt stand.
    »Könnten Sie wohl Ihre Hand hochhalten, Betty?«
    Sie nickte, und er ließ ihr Handgelenk los.
    Jetzt beobachteten alle im Zimmer sie genau. Hinter sich hörte Marvel leises Gemurmel. »Was ist denn los? … Was macht er denn mit Betty? … Wo sind denn die Kekse?«
    Betty rutschte auf ihrem Sessel herum und gab sich Mühe, die Hand nicht zu sehr zu bewegen, und Marvel sah, dass ihr Gehstock ganz hinten über die Armlehne gehängt war.
    Er sah sich nach etwas um, womit er den Stock anfassen konnte, und schickte sich an, die Decke von Bettys Knien zu heben. Ihre verschmierte Hand klatschte auf ihren Schoß hinab, um Decke und Anstand zu wahren, also zerrte er sich stattdessen die Krawatte herunter und benutzte die, um den Stock behutsam zu greifen.
    »Reynolds.«
    Reynolds kam herüber, und Marvel hielt den Gehstock ins Licht. Er war aus stabilem Holz gefertigt; der Griff war aus verziertem Messing  – und bräunlich rot verschmiert.

    Und ganz am Ende klebte ein kleines, aber unverkennbares Büschel weißer Haare.
     
    Er hatte seine Mordwaffe.
    Er hatte seinen Verdächtigen.
    Marvel dachte an die Zeile aus »Amazing Grace«.
    I once was lost, but now I’m found.
    Das war er. Verloren gegangen und dann gefunden worden. Finsternis, dann Licht. Betrunken, dann nüchtern. In dem Moment, als er diese weißen Strähnen am Ende des Gehstocks gesehen hatte, war Marvel klar gewesen, dass er nicht mehr zu trinken brauchte. Er würde trinken, aber er musste nicht mehr trinken. Zumindest nicht mehr bei diesem Fall.
    Es war allerdings auch ausgeufert. Gestern Abend hatten er und Joy sich lautstark gefetzt, weil sie wegen irgendwas mit R rührselig und sentimental geworden war, und anstatt Mitgefühl zu zeigen, hatte er gefragt, ob sie Eiswürfel hätte. Sie hatte ein Glas nach ihm geworfen, und er hatte irgendetwas Abfälliges über roten Dubonnet gesagt …
    Was zum Teufel sollte das, sich mit einer einsamen alten Schnapsdrossel wegen Eiswürfeln und Dubonnet zu streiten? Er hatte sie doch nicht alle.
    Verloren gegangen und gefunden worden.
    Solange alles in dieser Reihenfolge ablief, hatte Marvel das Gefühl, sein Leben einigermaßen gut hinzubekommen.
     
    Während er über Gerümpel kletterte und durch Schuppenfenster spähte, für den unwahrscheinlichen Fall, dass er Gary Liss fand, zerbrach sich Jonas den ganzen Tag lang den Kopf wegen der Botschaften.
    Die erste war indirekt gewesen: Und so was nennt sich Polizist!
    Die zweite war persönlich gewesen: Mach deinen Job, Heulsuse.

    Die dritte  – im Anschluss an einen dreifachen

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